Schatten einer Mutter mit ihren Kindern
epd-bild/Maike Glöckner
Das Einkommen von einem Elternteil reicht häufig nicht mehr aus, um die Familie zu ernähren. Wenn Mütter keinen Job haben, sind Kinder laut einer Studie oft von Armut bedroht. Zudem werden diese Kinder vom sozialen Leben abgekoppelt.
27.06.2018

Mehr als jedes zweite Kind ist einer Studie zufolge von Armut bedroht, wenn in der Familie die Mutter keine Arbeit hat. Noch gravierender ist die Situation bei alleinerziehenden Müttern: Sind sie nicht erwerbstätig, wachsen die Kinder fast immer (96 Prozent) in Armut auf, wie die Bertelsmann Stiftung am Mittwoch in Gütersloh bei der Vorstellung der Studie erklärte. Die Stiftung wirbt für ein Teilhabegeld, das die Hilfen für ärmere Familien bündelt. Auch die Diakonie und das Deutsche Kinderhilfswerk mahnen bessere Hilfen für Kinder aus armen Familien an.

Hat ein Elternteil in einer Paarfamilie längere Zeit keine Arbeit, erlebe fast jedes dritte Kind dauerhaft oder wiederkehrend Armut, heißt es in der Studie. Bei einer alleinerziehenden Mutter machten sogar noch 16 Prozent der Kinder zeitweise Armutserfahrungen, selbst wenn die Mutter über einen längeren Zeitraum mehr als 30 Wochenstunden arbeite. Bei einer stabilen Teilzeitbeschäftigung oder einem Minijob der Mutter leben laut Studie noch 20 Prozent der Kinder dauerhaft und 40 Prozent zeitweise in Armut.

Als arm gelten in der Studie Kinder, die mit weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltsnettoeinkommens auskommen müssen oder staatliche Grundsicherungsleistungen wie Hartz IV beziehen. Armut in Deutschland bedeute in der Regel nicht, obdachlos oder hungrig zu sein, erklärte die Stiftung. Die Kinder erlebten jedoch materielle Entbehrungen und weniger soziale Teilhabe.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Die Autoren der Studie warnen vor einer Ausgrenzung von ärmeren Kindern. Von Kindern und Jugendlichen aus finanziell abgesicherten Haushalten sind mehr 75 Prozent in Vereinen aktiv. Bei Kindern aus ärmeren Familien sind es nur halb so viele (40 Prozent). Doppelt so viele aus ärmeren Familien als aus finanziell abgesicherten Familien könnten nach eigenen Angaben nicht an Freizeitaktivitäten ihrer Wahl teilnehmen.

Die Bertelsmann Stiftung fordert ein Teilhabegeld, das Hilfen wie Kindergeld, den Kinderzuschlag, Hartz IV-Regelsatz für Kinder sowie Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets bündeln soll. Diese Hilfe solle abhängig vom Einkommen der Familien gezahlt werden. "Das vorhandene Geld muss dort ankommen, wo es am meisten gebraucht wird", sagte Stiftungsvorstand Jörg Dräger. Außerdem müsse es Müttern erleichtert werden, arbeiten zu gehen.

Auch die Diakonie fordert eine Reform der Hilfen für ärmere Familien. Das Nebeneinander von Kindergeld, Kinderfreibeträgen, Kinderzuschlag und Kinderregelsätzen sei kompliziert und für die Betroffenen kaum durchschaubar, sagte Maria Loheide vom Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Deutlich verbessert werden müsse auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Informationen von fast 3.200 Kindern

Die Leistungen aus den unterschiedlichen Töpfen müssten wirklich bei den Kindern und Familien ankommen, sagte die Beauftragte für Sozialpolitik der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, Helga Siemens-Weibring, dem epd. Ein Teilhabegeld könne sinnvoll sein. Auch die Evangelische Kirche im Rheinland habe in einem Beschluss eine Kindergrundsicherung gefordert. Eine solche Grundsicherung sei nötig, damit nicht ständig unterschiedliche Anträge nötig würden.

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert die Bundesregierung auf, die Familienförderung konsequenter auf die Bekämpfung von Kinderarmut auszurichten. So müssten Voraussetzungen für die Arbeit beider Elternteile verbessert werden, erklärte das Hilfswerk am Mittwoch in Berlin. Besonders unterstützt werden müssten alleinerziehende Elternteile. Um eine gerechte Teilhabe von Kindern zu ermöglichen, mahnte das Kinderhilfswerk ein soziokulturelles Existenzminimum sowie einen Rechtsanspruch auf Förderung durch ein Bundeskinderteilhabegesetz an.

Grundlage für die Studie "Lebensumstände von Kindern im unteren Einkommensbereich" ist den Angaben zufolge die repräsentative Längsschnittstudie "Panel Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung", in der seit 2006 jährlich etwa 15.000 Menschen ab 15 Jahren befragt wurden. Dafür wurden Informationen von fast 3.200 Kindern über einen Zeitraum von fünf Jahren ausgewertet.

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