Der Medienexperte Volker Lilienthal hat Journalisten vor dem Hintergrund der Affäre im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) davor gewarnt, ungeprüfte Behauptungen zu veröffentlichen.
26.06.2018

Zumindest die seriösen Medien, die den Qualitätsjournalismus für sich reklamierten, "müssen der großen Versuchung des Internets widerstehen, Neuigkeiten quasi in Echtzeit zu berichten", sagte Lilienthal dem Evangelischen Pressedienst (epd). Journalisten müssten sich an ihre eigenen Standards halten, nach denen Sorgfalt immer vor Schnelligkeit gehe.

Mehrfach nach unten korrigiert

Fragwürdig ist laut Lilienthal vor allem die Verwendung ungefährer Zahlen. In der Berichterstattung über die möglicherweise zu Unrecht ausgestellten Asylbescheide in Bremen etwa hätten Medien sehr schnell eine Größenordnung von "bis zu 2.000 Bescheiden" genannt. Das sei später mehrfach nach unten korrigiert worden. "Investigativ-Journalisten sollten sich davor hüten, mit vermeintlich genauen Zahlen eine Exaktheit zu suggerieren, die nicht gesichert ist", sagte der Hamburger Professor für Qualitätsjournalismus.

Ebenso müsse auch der Schutz der Persönlichkeit gewahrt werden, mahnte Lilienthal. In der Bamf-Affäre sei das Motiv der Behördenleiterin noch immer unklar. Gleichwohl sei in den Medien gleich zu Beginn davon die Rede gewesen, sie habe sich bereichert. Journalisten dürften Verdachtsberichterstattung liefern, aber sie sollten sich vor Augen halten, dass sie damit Existenzen vernichten können. "Der Journalismus muss bei sich selbst eine Warteschleife einziehen, bevor er Ross und Reiter nennt", sagte der Medienwissenschaftler.

"Kein zweite unabhängige Quelle"

Wie stark der Wettbewerb um die schnellste Breaking News sei, habe auch die Meldung über die angebliche Aufkündigung der Unionsgemeinschaft von CDU und CSU vor rund zwei Wochen gezeigt. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte eine entsprechende Eilmeldung herausgegeben und sich auf einen vermeintlichen Tweet des Hessischen Rundfunks gestützt, der sich kurz darauf als Fälschung seitens der Satirezeitschrift "Titanic" herausstellte. "Selbst eine seriöse Agentur wie Reuters hat sich keine zweite unabhängige Quelle besorgt", sagt Lilienthal. "Das ist der fatale Kampf, der Erste sein zu wollen."

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