Der Soziologe Sacha Szabo
epd-bild/Conny Ehm
Für den Freiburger Soziologen Sacha Szabo hat der Fußball eine "para-religiöse Dimension", weil er die Teilnehmer in eine Art "Jenseits des Alltags" versetzt.
21.06.2018

Faszinierend sei, dass Spieler, Zuschauer und das Stadion während des Spiels "scheinbar miteinander verschmelzen", sagte der Publizist am Donnerstag im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Fußballgott"

epd: Im Fußball werden häufig Begriffe verwendet wie "Fußballgott", "Hand Gottes" und "Heiliger Rasen". Hat der Sport eine religiöse Dimension?

Sacha Szabo: Der Fußball hat recht klar eine para-religiöse Dimension, indem er es schafft, den Alltag vergessen zu machen und die Teilnehmer in eine Art Jenseits des Alltags transzendiert. Die zugrundeliegende Struktur ist das Spiel, das es erlaubt, eine außeralltägliche Wirklichkeit zu eröffnen.

Das Spiel selbst ist auch hochinteressant. Denn was den Fußball auszeichnet - wie jedes Spiel - ist seine Unberechenbarkeit, trotz der Annahme, man könnte es durch Geschick und Können beeinflussen. Aber manchmal hat der Fußball eben "seine eigenen Gesetze". Und so ist der Ausgang eines Fußballspiels ein Stück weit eine Art Gottesurteil, ob der jeweiligen Seite das Schicksal gewogen ist.

epd: Fast alle Fußballer haben Tattoos. Bei Lionel Messi ist es Christus mit der Dornenkrone, Sergio Ramos schmückt sich mit der Mutter Gottes. Welche Funktion haben sie?

Tattoo als Zauber

Szabo: Ursprünglich waren Tattoos nicht nur Körperschmuck, sondern hatten wohl auch eine rituelle Funktion. Manche Tattoos hatten vermutlich auch die Funktion eines Schutzzaubers, der einen selbst unverwundbar macht und den Gegner paralysieren sollte. Ein Zauber, der auch heute noch auf dem Fußballplatz ganz offensichtlich wirkmächtig ist, denn viele Tätowierungen wirken wie ein Schutzpanzer, und bei der Unwägbarkeit eines Fußballspiels kann es sicher nicht schaden, auf göttlichen Segen zu hoffen. Die Tattoos haben aber zugleich auch eine individuelle Bedeutung, sie erzählen gewissermaßen die Lebensgeschichte des Trägers.

epd: Welche Rolle spielen Nationalhymnen und die Fan-Gesänge?

Szabo: Das Faszinierende eines Fußballspiels ist für mich, dass Spieler, Zuschauer und das Stadion scheinbar miteinander verschmelzen. Dieser rauschhafte Vorgang wird durch die Gesänge, die Schlachtrufe, aber auch durch die verschiedenen Bewegungsrituale wie die La-Ola-Welle erzeugt; man darf im Übrigen auch den Alkohol nicht vergessen. Das Ergebnis ist ein ekstatisches Erlebnis, in dem sich das vereinzelte "Ich" aufhebt und sich mit seinem Nächsten zu einer Gemeinschaft verbindet.

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