Die Kopfbedeckung wird inzwischen als "Kippa des Anstoßes" im Jüdischen Museum Berlin gezeigt.
epd-bild/Rolf Zöllner
Selten hat eine Tat das Land so aufgewühlt. Ein junger Flüchtling schlägt mitten in Berlin mit einem Gürtel auf einen Israeli ein und beschimpft ihn als Jude. Das Opfer hat die Attacke gefilmt. Am Dienstag begann der Prozess gegen den 19-Jährigen.
19.06.2018

Im Prozess um die mutmaßlich antisemitische Attacke auf zwei Kippa tragende Männer im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg hat der Angeklagte die Tat gestanden. Zugleich wies der 19-jährige palästinensische Syrer vor dem Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Tiergarten am Dienstag den Vorwurf zurück, er habe aus einem antisemitischen Motiv heraus gehandelt. Die ursprünglich auf einen Tag angesetzte Verhandlung wurde wegen der acht Zeugenanhörungen um zwei Tage ausgedehnt. Der nächste Verhandlungstag ist für Montag angesetzt.

Video des Angriffs sorgte für Empörung

Der Angeklagte Knaan Al S. sagte vor Gericht, er sei zuvor von einem der beiden die jüdische Kopfbedeckung Kippa tragenden Männer auf Arabisch beschimpft und provoziert worden. Er entschuldigte sich bei seinem 21-jährigen Opfer Adam A. für die Schläge. Der auf einem Video festgehaltene Angriff von Mitte April hatte bundesweit für Empörung gesorgt und eine Debatte über muslimischen Antisemitismus ausgelöst. Dem Angeklagten werden gefährliche Körperverletzung und Beleidigung vorgeworfen.

A. habe unter anderem seine Mutter und seine Schwester auf Arabisch beleidigt, sagte der Angeklagte. Deshalb habe er ihn mit dem Gürtel geschlagen. Gegen Juden habe er aber grundsätzlich nichts, auch sei er unpolitisch und kein strenger Muslim. Die Tat tue ihm leid. Jedoch habe er sich im Recht gefühlt, weil er provoziert worden sei. Zudem sei er an diesem Tag bekifft und sehr müde gewesen und habe auch noch Ecstasy genommen.

Körperliche und seelische Schmerzen durch Attacke

Adam A., der an diesem Tag in Begleitung eines Freundes im Prenzlauer Berg mit der jüdischen Kopfbedeckung unterwegs war, wies die Darstellung von Knaan Al S. zurück. Er habe mit dem Angeklagten vor der Attacke keinerlei Worte gewechselt. Ein Trio um den Angeklagten habe sie über die Straße hinweg beschimpft. Sein Begleiter, ein Deutsch-Marokkaner, habe die Angreifer daraufhin aufgefordert, sie in Ruhe zu lassen. Dann sei Knaan Al S. auf ihn zugerannt gekommen, habe ihn als "dreckigen Juden" bezeichnet und mit dem Gürtel auf ihn eingeschlagen. Um sich zu schützen, habe er die Videofunktion seines Handys aktiviert und die Tat gefilmt - auch in der Hoffnung, dass der Angeklagte dann von ihm ablässt.

Später sei der Angeklagte von einem seiner Begleiter, einem Cousin, weggezogen worden. Die beiden Freunde hätten die Gruppe dann verfolgt, um sie bis zum Eintreffen der Polizei im Auge zu behalten. Neben körperlichen habe die Attacke vor allem seelische Schmerzen bei ihm ausgelöst, sagte Adam A.: "Seitdem fühle ich mich unsicher." Nach eigenem Bekunden ist der 21-Jährige, der in Berlin Veterinärmedizin studiert, selbst kein Jude, aber eng mit der jüdischen Kultur in Israel aufgewachsen und fühlt sich dem Judentum sehr verbunden.

Zeugin bestätigt Darstellung des Opfers

Bestätigt wurden seine Angaben von einer Zeugin, die unweit des Tatortes zur Tatzeit in einem Restaurant saß. Ihr seien die beiden Jungs sofort aufgefallen, weil sie eine Kippa trugen und schwul wirkten, sagte die 44-Jährige aus Hamburg. Nach ihren Angaben gingen die Beschimpfungen eindeutig von den drei Arabern aus. "Die Provokationen waren eindeutig", sagte die Zeugin, die selbst israelische Wurzeln hat.

Die Frau, die Knaan Al S. nach den Schlägen zur Rede stellte, bekam nach ihren Aussagen als Begründung gesagt, er sei Palästinenser. Eine Art Unrechtsbewusstsein hätten er und seine Begleiter dabei nicht ausgestrahlt. Auch war nach ihrer Einschätzung der Grund für die Attacke gegen A. und seinen Begleiter ein "Konglomerat aus Judenfeindlichkeit und Homophobie".

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