Arbeiterinnen in einer Textilfabrik im Dorf Thanaut Tee in Kambodscha (Archivbild)
epd-bild/Friedrich Stark
Zu ihrem 50. Jubiläum zieht die Hilfsorganisation medico international eine bittere Bilanz: Der globale Norden schotte sich ab und ordne seine Entwicklungspolitik wirtschaftlichen Interessen unter. Der Süden sei zunehmend abgehängt.
25.05.2018

Die Hilfsorganisation medico international warnt vor einer weiteren sozialen Spaltung der Welt und einem Missbrauch von Entwicklungspolitik. Mit humanitärer Hilfe alleine sei den prekären Folgen der wachsenden sozialen Ungleichheit und der daraus erwachsenden Gewalt nicht mehr beizukommen, kritisierte medico-Geschäftsführer Thomas Gebauer bei der Vorstellung des Jahresberichtes der Hilfsorganisation am Freitag in Berlin. Die 1968 gegründete Hilfsorganisation feiert am Samstag in Berlin ihr 50-jähriges Bestehen. Sie engagiert sich weltweit vor allem in Gesundheitsprojekten.

Entwicklungspolitik werde verstärkt sicherheitspolitischen Interessen, Abschottungstendenzen und Wirtschaftsinteressen untergeordnet, kritisierte Gebauer weiter. "Letztlich geht es um Außenwirtschaftsförderung und nicht um Entwicklung." Die deutsche und europäische Politik sei ausgerichtet auf die Stabilisierung des Status Quo, auf die Absicherung der Privilegien und auf Migrationsverhinderung und nicht, wie es einst Altkanzler Willy Brandt (SPD) vorschwebte, auf Strukturpolitik und Ausgleich.

Billige Arbeitskräfte in der globalen Textilproduktion

Auch beobachte medico international mit Sorge, wie der Erfolg von Hilfe immer mehr an den Mengen gelieferter Hilfsgüter, an reibungslos funktionierenden Transportwegen, an einem akribischen Belegwesen und zeitnahen Berichten gemessen werde. Die Integration der Länder des Südens in eine von Wachstum und Rendite geprägte globale Ökonomie habe die Welt zwar näher zusammenrücken lassen, aber zugleich auch tief sozial gespalten, sagte Gebauer. Der technologische Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte sei an großen Teilen der Weltbevölkerung vorbeigegangen.

Viele Bewohner des globalen Süden seien nur "auf unterster Stufe" in den Weltmarkt integriert worden, etwa als billige Arbeitskräfte in der globalen Textilproduktion, als Tagelöhnerinnen in der Produktion von Bioethanol oder Palmöl oder als Käufer von ungesunden industriell produzierten Nahrungsmitteln. Für viele weitere gebe es überhaupt keinen Platz in der globalisierten Welt.

"Unwürdige Arbeitsbedingungen"

Zustände wie in den Textilproduktionen in Bangladesch oder Pakistan seien einfach nur "beschämend", kritisierte der medico-Geschäftsführer. Trotz vieler Absichtsbekundungen nach dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch 2013 mit mehr als 1.000 Toten habe sich für die Menschen vor Ort nichts geändert: "Unwürdige Arbeitsbedingungen, keine Gewerkschaftsrechte, keine Zukunft." Das gleiche Bild zeige sich in Afrika, wo die Aneignung von landwirtschaftlichen Flächen durch Konzerne unvermindert weiter gehe und den Menschen so die Existenz genommen werde. "Hier ist die Politik gefordert, aber sie kommt ihrem Auftrag nicht nach", kritisierte Gebauer.

Medico international hat nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr etwa 120 Projekte in 30 Ländern mit knapp 13 Millionen Euro gefördert. Die meisten Gelder flossen in Projekte im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika. Die Spendeneinnahmen gingen mit 4,6 Millionen Euro leicht zurück. Dafür stiegen die Zuschüsse öffentlicher Geldgeber um rund 1,5 Millionen auf rund sieben Millionen Euro und die Fördermitgliedschaften um zehn Prozent. 1997 wurde die von medico initiierte Internationale Kampagne zum Verbot von Landminen mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

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