Kundgebung mit Gewerkschaften
epd-bild/Rolf Zoellner
Eine neue Studie belegt nach Ansicht der Linken "das dramatische Ausmaß, das die Tarifflucht inzwischen angenommen hat". 43 Prozent der westdeutschen und 56 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten arbeiteten 2017 in Betrieben ohne Tarifvertrag.
24.05.2018

Der Anteil der Beschäftigten in tarifgebundenen Betrieben ist einer Studie zufolge seit 1996 deutlich zurückgegangen. Arbeiteten damals in Westdeutschland 70 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit Branchentarifvertrag, waren es im Jahr 2017 noch 49 Prozent. In Ostdeutschland sank der entsprechende Anteil der Beschäftigten von 56 auf 34 Prozent, wie eine am Donnerstag veröffentlichte Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt. Die Linksfraktion im Bundestag forderte die Bundesregierung auf, die Tarifflucht zu stoppen. Die FDP forderte starke Tarifpartner in Industrie und Handel.

Keine Veränderung in Westdeutschland

Im Vergleich zum Vorjahr sank der Anteil der Beschäftigten in Betrieben mit Branchentarifverträgen sowohl in West- als auch in Ostdeutschland jeweils um zwei Prozentpunkte. Firmen- oder Haustarifverträge gelten für acht Prozent der westdeutschen und für zehn Prozent der ostdeutschen Beschäftigten. Das bedeutet ein Minus von einem Prozentpunkt gegenüber dem Vorjahr in Ostdeutschland. In Westdeutschland war keine Veränderung zu verzeichnen.

Umgekehrt heißt das, 43 Prozent der westdeutschen und 56 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten arbeiteten 2017 in Betrieben, in denen es keinen Tarifvertrag gab. In Westdeutschland profitierte die Hälfte dieser Arbeitnehmer jedoch indirekt von Tarifverträgen, da sich ihre Betriebe an Branchentarifverträgen orientierten. In Ostdeutschland waren es 45 Prozent der Beschäftigten in Betrieben ohne Tarifbindung, denen die indirekte Wirkung eines Tarifvertrages nutzte, wie aus der Untersuchung hervorgeht. In Ostdeutschland ist diese Zahl gegenüber dem Vorjahr um drei Prozent zurückgegangen, in Westdeutschland hat sich dieser Wert nicht verändert.

"Tarifflucht der Arbeitgeber unterbinden"

Nach Ansicht der Linken belegt die Studie "das dramatische Ausmaß, das die Tarifflucht inzwischen angenommen hat". Das 2015 in Kraft getretene Tarifstärkungsgesetz habe den freien Fall der Tarifbindung nicht stoppen können, sagte der gewerkschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Pascal Meiser, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er forderte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf, "umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um die Tarifflucht der Arbeitgeber zu unterbinden".

Der FDP-Bundesabgeordnete Carl-Julius Cronenberg sieht hingegen keine Anzeichen für Tarifflucht. Die Zahlen seien vielmehr Ausdruck einer sich verändernden Arbeitswelt: Je kleiner oder spezialisierter die Personalstruktur und oder je digitaler das Geschäftsmodell, desto geringer die Tarifbindung. Solche Unternehmen bezahlten in der Regel übertarifliche Löhne und Gehälter und würden daher in der Statistik nicht berücksichtigt, sagte Cronenberg dem epd. "In eher traditionellen Branchen wie Industrie und Handel brauchen wir jedoch weiterhin Tarifautonomie und starke Tarifpartner."

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