Diakonie sieht sich durch das Urteil bestätigt
epd-bild/Diakonie Deutschland
Kirchliche Einrichtungen verlangen von Mitarbeitern häufig Loyalität in Form der Kirchenmitgliedschaft. Über die Rechtmäßigkeit dieser Praxis wird schon lange gestritten. Es hängt vom Einzelfall ab, urteilte jetzt der Europäische Gerichtshof.
17.04.2018

Kirchliche Arbeitgeber dürfen die Kirchenmitgliedschaft bei Bewerbern nicht pauschal und unbegründet verlangen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied am Dienstag in Luxemburg, dass solch eine Anforderung an einen Bewerber "objektiv geboten" sein müsse. Es müsse ein direkter Zusammenhang zwischen der Konfession und der fraglichen Tätigkeit bestehen. Zudem müsse von einem Gericht überprüft werden können, ob die Voraussetzung einer Kirchenmitgliedschaft "wesentlich", "rechtmäßig" und "gerechtfertigt" sei. Dies könnte die Kirchen und ihre Einrichtungen dazu zwingen, ihre Stellenanforderung künftig stärker zu begründen. (AZ: C-414/16)

Im konkreten Fall ging es um die konfessionslose Berlinerin Vera Egenberger, die sich erfolglos beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben und daraufhin wegen religiöser Diskriminierung geklagt hatte. Über den Ausgang des Verfahrens, in dem Egenberger eine Entschädigungszahlung durchsetzen will, muss nun erneut das Bundesarbeitsgericht befinden.

Diakonie reagiert gelassen

Egenberger sieht sich bereits vom EuGH bestätigt. Sie sei sehr froh, dass dem Urteil zufolge die Praxis der konfessionellen Verbände bei der Personalauswahl in Deutschland "so nicht haltbar ist", sagte sie dem epd. Auch die beklagte Diakonie reagierte allerdings gelassen: Der EuGH habe bestätigt, "dass das kirchliche Selbstbestimmungsrecht der wesentliche Faktor bei solchen Abwägungsentscheidungen ist", sagte Diakonie-Vorstand Jörg Kruttschnitt, der zur Urteilsverkündung in Luxemburg war. Das Gericht hatte auch betont, dass es staatlichen Gerichten in der Regel nicht zustehe, über das Ethos kirchlicher Arbeitgeber zu befinden, mit dem das Erfordernis der Konfession begründet wird.

Das zuständige Bundesarbeitsministerium wertete das Urteil dennoch durchaus als Einschnitt für die Kirchen. Der EuGH habe das Recht der kirchlichen Arbeitgeber, selbst zu entscheiden, für welche Tätigkeit eine bestimmte Religionszugehörigkeit erforderlich ist, eingeschränkt, hieß es aus dem Ministerium. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, erklärte: "Die Kirchen können künftig von ihren Beschäftigten nicht mehr pauschal eine bestimmte Religionszugehörigkeit verlangen."

EKD sieht Einschränkung

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), die in der sogenannten Loyalitätsrichtlinie Anforderungen für die Arbeit in kirchlichen Einrichtungen vorgibt, wertete das Urteil ebenfalls als Einschränkung. Die Prägung der Arbeit in der Kirche hänge maßgeblich an den Personen, die ihren christlichen Glauben und ihre christliche Haltung einbringen, erklärte der Präsident des EKD-Kirchenamtes, Hans Ulrich Anke. Deswegen sei Gestaltungsfreiheit bei der Personalauswahl wichtig. Diese Freiheit schränke der EuGH nun über das Europarecht ein, sagte Anke. Gleichzeitig betonte er, im Grundsatz bestätige der EuGH die von der Kirche selbstbestimmte Gestaltung des Arbeitsrechts.

Als Körperschaften öffentlichen Rechts können die Kirchen für die Arbeit in ihrem eigenen Bereich eigene Regeln definieren. Für sie gelten damit auch Teile des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, wonach Bewerber nicht wegen ihrer Religionszugehörigkeit benachteiligt werden dürfen, nicht. Lüders zufolge gilt das nun aber nicht mehr pauschal. Sie forderte die Kirchen auf, Konsequenzen aus dem EuGH-Urteil zu ziehen. "Die Kirchen müssen ab jetzt für jedes einzelne Arbeitsverhältnis nachvollziehbar und gerichtsfest begründen können, warum eine bestimmte Religionszugehörigkeit dazu zwingend notwendig sein soll", sagte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle.

Diese Konsequenz sehen auch Rechtsexperten. Der Göttinger Kirchenrechtler Hans Michael Heinig sagte, die Kirche werde ihre Anforderungen an Bewerber bezogen auf die jeweilige Einrichtung und konkreten Arbeitsplatz künftig stärker begründen oder auf das Erfordernis einer Religionszugehörigkeit für manche Bereiche ganz verzichten müssen. Der Erlanger Arbeitsrechtler Steffen Klumpp sagte, Gerichte könnten nun inhaltlich prüfen, ob die Religionszugehörigkeit tatsächlich für eine Stelle notwendig sei. Die evangelischen Regelungen müssten entsprechend neu gefasst werden.

Die katholische Kirche, die nicht am Verfahren beteiligt, aber ebenso eigene Regeln im Arbeitsrecht hat, kündigte am Dienstag bereits an, zu prüfen, ob und inwieweit die Einstellungspraxis angepasst werden müsse.

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