Lula da Silva soll ins Gefängnis.
epd-bild/Alberto Veiga
Sieg der Gerechtigkeit oder Anschlag auf die Demokratie? Der knappe Richterspruch von Brasilia, der grünes Licht für Lulas Verhaftung gibt, löst ein geteiltes Echo aus.
05.04.2018

Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva muss wahrscheinlich ins Gefängnis. In einer knappen Entscheidung urteilte das Oberste Gericht in der Nacht zum Donnerstag mit sechs zu fünf Stimmen, dass Lula nach seiner Verurteilung in zweiter Instanz inhaftiert werden kann. Nach dieser erneuten juristischen Niederlage steht die Ausstellung eines Haftbefehls unmittelbar bevor. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass die Verteidigung die Urteilsvollstreckung mit neuen Rechtsmitteln weiter verzögert.

Der 72-jährige Linkspolitiker Lula war im Januar von einem Berufungsgericht wegen Korruption und Geldwäsche zu zwölf Jahren und einem Monat Haft verurteilt worden, beteuert aber seine Unschuld. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Lulas Kandidatur bei der Präsidentenwahl im Oktober dürfte aber nun definitiv vereitelt sein.

Lulas Arbeiterpartei PT sprach von einem "tragischen Tag für die Demokratie". Die Mehrheit der höchsten Richter habe "die Verfassung zerrissen" und sich dem skandalösen Druck des Medienkonzerns "Rede Globo" gebeugt, kritisierte die Parteiführung in einer am Donnerstag verbreiteten Erklärung. Das Urteil sei ungerecht und auf politische und wirtschaftliche Interessen zurückzuführen.

Politische Gefälligkeiten

Sprecher der Regierungskoalition begrüßten dagegen den Richterspruch. "Das Urteil bekräftigt, dass niemand, auch nicht Ex-Präsident Lula, über dem Gesetz steht", erklärte Nilson Leitão von der konservativen Partei PSDB. Lula war veruteilt worden, weil er ein Strandappartement von einem Bauunternehmen als Gegenleitung für politische Gefälligkeiten erhalten haben soll. Er war von 2003 bis 2010 Präsident.

Hintergrund der Verhandlung vor dem Obersten Gericht war ein Streit über die Frage, ob die brasilianische Rechtsprechung verfassungskonform ist, wonach eine Inhaftierung nach einer Verurteilung in zweiter Instanz erlaubt ist, auch wenn noch nicht alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind. Die Befürworter sehen darin ein Mittel gegen Straffreiheit. Die Kritiker hingegen machen einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung geltend. Bereits 2016 hatte das Oberste Gericht mit sechs zu fünf Stimmen für die schnellere Haftmöglichkeit gestimmt.

Unterdessen sorgt eine Stellungnahme von Armeekommandant Eduardo Villas Bôas für Aufregung. Kurz vor Beginn der Verhandlung am Obersten Gericht twitterte der General, dass das Militär Straffreiheit ablehne und sich seines institutionellen Auftrags bewusst sei.

Anhänger und Gegner auf der Straße

Die diffuse Drohung wurde von vielen Brasilianern als unangemessene Einmischung in Justiz und Politik abgelehnt. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einer Gefährdung der Demokratie. Auch einer der obersten Richter kritisierte den General in seiner Urteilsbegründung.

Am Mittwoch waren im ganzen Land Anhänger und Gegner Lulas auf die Straße gegangen. In der Hauptstadt Brasilia war das Gerichtsgebäude weiträumig abgesperrt, die Polizei trennte die verfeindeten Gruppen.

Das juristische Tauziehen um Lula ist politisch äußerst brisant. Seine Anwälte und Anhänger werfen der Justiz vor, im Einvernehmen mit der konservativen Regierung einen politischen Prozess zu inszenieren, um eine Rückkehr der Arbeiterpartei an die Macht zu verhindern. Wahlumfragen zufolge führt der ehemalige Gewerkschafter Lula mit deutlichem Abstand vor allen Mitbewerbern.

Im Rahmen eines Korruptionsskandals, der die ganze politische Klasse Brasiliens erfasst hat, steht Lula noch in weiteren Verfahren vor Gericht. Auch gegen Präsident Michel Temer und zahlreiche seiner Minister wird wegen Korruption ermittelt.

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