Mehr alte Menschen beziehen Grundsicherung.
epd-bild / Werner Krüper
In der Debatte um ein solidarisches Grundeinkommen hat sich nun auch Arbeitsminister Heil (SPD) gezeigt. Die Diskussion bei den Sozialdemokraten stößt in der Bevölkerung auf Zustimmung, bei der Opposition auf Skepsis und in der Wirtschaft auf Abwehr.
28.03.2018

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat sich offen für Gespräche über die Einführung eines solidarischen Grundeinkommens als Alternative zu Hartz IV-Leistungen geäußert. Heil sagte der "Bild"-Zeitung (Mittwoch): "Das ist eine notwendige Debatte, die wir führen werden." Laut einer Umfrage im Auftrag des Berliner "Tagesspiegel" (Donnerstag) ist eine große Mehrheit der Bürger für ein Grundeinkommen. Bei den Arbeitgeberverbänden stößt der Vorstoß aus der SPD auf Abwehr. Die Linkspartei und die Grünen forderten umfassendere Reformen.

Heil sagte, er setze auf "konkrete und machbare Lösungen, die der Lebensrealität der Menschen entsprechen". Der Minister nahm damit Stellung zur Debatte in der SPD-Führung über eine Reform der Hartz-IV-Gesetze. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte die Einführung eines solidarischen Grundeinkommens als Alternative angeregt und dafür unter anderem die Unterstützung der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) erhalten.

Kein Ort der Aussichtslosigkeit

Regierungssprecher Steffen Seibert nannte die Äußerungen aus der SPD-Führung "Diskussionsbeiträge". Union und SPD hätten im Koalitionsvertrag vereinbart, so viele Menschen wie möglich in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Ein sozialer Arbeitsmarkt sei nur für einige Langzeitarbeitslose die richtige Lösung, sagte Seibert. Er verwies auf die Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie hatte gesagt, ein staatlich geförderter Arbeitsmarkt dürfe kein Ort der Aussichtslosigkeit werden, sondern müsse durchlässig bleiben.

Die Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) warnten in einem Gastbeitrag für die "Wirtschaftswoche" vor den Folgen eines bedingungslosen Grundeinkommens. "Ein bedingungsloses Grundeinkommen reduziert Arbeitsanreize, verschärft den Fachkräftemangel und provoziert damit weitere Beschäftigungsverluste", schrieben Ingo Kramer (BDA) und Dieter Kempf (BDI). "Seine Einführung wäre eine Kapitulation unserer Gesellschaft vor den Herausforderungen der neuen Arbeitswelt."

Nach dem Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters Müller sollen Arbeitslose künftig einen steuerfinanzierten Vollzeit-Job auf Mindestlohnniveau mit einem Nettoverdienst von 1.200 Euro im Monat angeboten bekommen. Die Annahme sei freiwillig, wer ablehnt würde bei der bisherigen Grundsicherung bleiben.

Der SPD-Politiker stößt damit auf großen Zuspruch in der Bevölkerung. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Civey im Auftrag des "Tagesspiegels". Auf die Frage: "Sollte jeder Langzeitarbeitslose in Deutschland das Recht auf eine gemeinnützige, steuerfinanzierte Beschäftigung zum Mindestlohn erhalten?" antworteten knapp 62 Prozent der Befragten mit "Ja, auf jeden Fall" oder mit "Eher ja". 26 Prozent äußerten sich ablehnend. Zwölf Prozent waren unentschieden. Die Ergebnisse basieren auf den Antworten von 5.068 Personen, die vom 26. bis 28. März 2018 befragt wurden. Das Ergebnis ist repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.

Abschaffung von Hartz IV

Die Grünen und die Linkspartei begrüßten die Debatte, forderten aber umfassendere Reformen. Die Fraktionschefin der Linken, Sahra Wagenknecht, sagte der "Augsburger Allgemeinen" (Donnerstag), es sei gut, dass nun auch in der SPD über die Abschaffung von Hartz IV diskutiert werde. Ein solidarisches Grundeinkommen bedeute aber lediglich, dass noch mehr Menschen für Armutslöhne arbeiten würden.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anja Hajduk, sagte, die Debatte um die Reform der sozialen Sicherungssystem dürfe nicht auf Einzelvorschläge verengt werden. 900.000 Langzeitarbeitslose, Kinderarmut, die prekäre Lage vieler Alleinerziehender und die Überlastung der Jobcenter zeigten, dass das Thema Hartz IV in seiner Gesamtheit angegangen werden müsse.

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Müllers "solidarisches Grundeinkommen" ist kein Grundeinkommen, da seine Gewährung an Bedingungen geknüpft ist. Ein Grundeinkommen dagegen ist ein Einkommen, das jedem Bürger ohne Gegenleistung und unabhängig von Einkommen und Vermögen garantiert wird. Daher nennt man es bedingungslos. Diese Definition ist seit Jahren im deutschsprachigen Raum etabliert. Wenn Müller sein Hartz 5 trotzdem "Grundeinkommen" nennt, betreibt er entweder bewusst Etikettenschwindel oder zeigt, dass er nicht weiß, wovon er redet. In jedem Fall stiftet er Verwirrung.

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