Angela Merkel
epd-bild/Christian Ditsch
Zusammenhalt statt Spaltung mahnte die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung an. Den Prozess zu einem besseren Zusammenleben der Religionen wolle sie selbst begleiten. Am Ende der Legislaturperiode soll Deutschland menschlicher sein.
21.03.2018

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verspricht, in den kommenden Jahren den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland mit politischen Maßnahmen zu stärken. "Wir wollen in einer Gesellschaft leben, die geprägt ist von Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Zusammenhalt", sagte sie am Mittwoch im Bundestag bei der ersten Regierungserklärung nach ihrer Wiederwahl.

Dabei formulierte sie erneut einen Appell für mehr Zutrauen an die Bevölkerung. "Ich bin überzeugt: Deutschland kann es schaffen", sagte sie und zitierte damit aus ihrer ersten Regierungserklärung aus dem Jahr 2005. Heute füge sie hinzu: "Deutschland, das sind wir alle", sagte Merkel.

Merkel beschreibt Herausforderungen

Die Kanzlerin sagte, die Flüchtlingspolitik habe das Land bis heute gespalten und polarisiert. Herausforderungen gebe es insbesondere beim "Zusammenleben der Religionen", sagte sie in ihrer einstündigen Ansprache. Bund und Länder müssten gemeinsam zukunftsfähige Strukturen auch für den Islam finden. Sie habe Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) darum gebeten, mit den Innenministern der Länder darüber zu sprechen. Sie werde gemeinsam mit den Ministerpräsidenten diesen Prozess begleiten, in dem die Deutsche Islamkonferenz eine zentrale Rolle spiele, kündigte die Regierungschefin an.

Seit 2006 ist die Islamkonferenz unter Federführung des Bundesinnenministeriums das Gesprächsforum für Vertreter des Staates und der Islam-Verbände. Seehofer hatte in einem Interview angekündigt, sie fortzuführen. Der neue Innenminister polarisierte dabei allerdings mit der Aussage, dass der Islam in seinen Augen nicht zu Deutschland gehört.

Widerspruch zu Seehofers Aussage

Merkel widersprach in ihrer Erklärung dem CSU-Chef. Die Prägung des Landes sei christlich und jüdisch. "So richtig das ist, so richtig ist es auch, dass mit den 4,5 Millionen bei uns lebenden Muslimen ihre Religion, der Islam, inzwischen ein Teil Deutschlands geworden ist."

Merkel sieht ferner Handlungsbedarf vor allem bei den ganz Jungen und den ganz Alten. "Die Menschlichkeit einer Gesellschaft zeigt sich am Anfang und am Ende des Lebens", sagte sie. "Kinderarmut in einem reichen Land wie Deutschland ist eine Schande und wir müssen sie mit aller Kraft bekämpfen." In der Pflege trage die Familie die größte Bürde. Die Pflegenden seien die "stillen Helden" in der Gesellschaft. Mit Verweis auf den Terrorangriff auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 mit zwölf Toten kündigte die Kanzlerin darüber hinaus an, dass es künftig einen Haupt-Opferbeauftragten in der Bundesregierung geben solle.

In der Außenpolitik äußerte sie erstmals scharfe Kritik am Vorgehen der türkischen Armee in der nordsyrischen Kurdenregion Afrin. Was dort passiere, sei "inakzeptabel" und die Bundesregierung verurteile dies aufs Schärfste. Nach Angaben der Vereinten Nationen spitzt sich die humanitäre Lage wegen der Kämpfe und der Massenflucht von Zivilisten dramatisch zu.

Nahles: Völkerrechtswidriges Verhalten

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) ergänzte, wenn ein Nato-Mitglied Menschenrechte verletzte, dürfe dies nicht unwidersprochen bleiben, sondern müsse innerhalb des Bündnisses besprochen werden. Was in Afrin geschehe, habe mit dem Schutz verfolgter Christen oder Jesiden wenig zu tun. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles sprach von völkerrechtswidrigem Verhalten und sagte, es gebe berechtigte Zweifel, dass eine direkte Bedrohung des türkischen Staatsgebiets durch die Kurden in Nordsyrien vorliege.

Merkel begrüßte indes die Freilassung von deutschen Staatsbürgern aus türkischer Haft - zuletzt kam Journalist Deniz Yücel frei. Sie kündigte zugleich an, Deutschland werde sich weiter für jene einsetzen, die nach wie vor im Gefängnis seien.

Oppositionsparteien kritisierten die neue Regierung. Die AfD monierte mangelnde Visionen. AfD-Chef Alexander Gauland erklärte, ein bisschen mehr Tiefgang und Visionen habe er sich schon gewünscht. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner forderte ein Ende des Streits über die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört. Die Religionen dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch kritisierte Seehofer scharf, der mit seinen Islam-Äußerungen in der ersten Woche schon den "harten Hund" spiele. Für die Grünen kündigte Fraktionschef Anton Hofreiter eine "harte Auseinandersetzung" mit der Regierung an.

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