Viele Menschen im Kongo haben keinen Zugang zu Trinkwasser
epd-bild/Bettina Rühl
Hilfswerke schlagen Alarm, weil die Verschuldung von mehr als 100 Entwicklungsländern kritische Ausmaße angenommen hat. Jahrelang hat Jürgen Kaiser von erlassjahr.de vor einer neuen Krise gewarnt. Er konstatiert: "Diese Krise ist nun da."
15.03.2018

Hilfsorganisationen haben vor einer dramatischen Schuldenkrise der Entwicklungsländer gewarnt. An die neue Bundesregierung erging der Appell, wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) müsse sich beim G20-Finanzministertreffen in der kommenden Woche in Buenos Aires dringend für Entschuldungen einsetzen, sagte Klaus Schilder vom katholischen Hilfswerk Misereor am Donnerstag in Berlin. Mindestens 119 Entwicklungs- und Schwellenländer seien hoch verschuldet. Misereor legte zusammen mit dem Bündnis erlassjahr.de den "Schuldenreport 2018" vor.

Private Investoren müssten künftig Risiken von Engagements in armen Ländern selbst tragen, forderten die Hilfsorganisationen. Die Konzerne sollten sich nicht durch öffentliche Ausfallgarantien absichern können, wenn kein Mechanismus zur Vermeidung einer Überschuldung der Länder in Kraft sei. Zudem müssten ein rechtsstaatliches Staatsinsolvenzverfahren und maßgeschneiderte regionale Entschuldungsmöglichkeiten geschaffen werden. Wenn dies unterbleibe, stünden in den betroffenen Ländern immer weniger Mittel für Gesundheit und Bildung zur Verfügung, betonte Schilder: "Hauptleidtragende sind die Armen."

"Verlorenes Jahrzehnt"

Laut dem Schuldenreport hat die Staatsverschuldung in Entwicklungs- und Schwellenländern dramatische Ausmaße angenommen. Damit drohe erneut die Gefahr eines "verlorenen Entwicklungsjahrzehnts", sagte Jürgen Kaiser von erlassjahr.de. Besonders hoch seien die Schulden etwa in Angola, Südsudan, Tschad, Venezuela, Mosambik und Jemen, die ihre Schuldenzahlungen bereits zum Teil eingestellt hätten.

Gründe seien der Verfall der Rohstoffpreise und die niedrigen Zinssätze, die den Druck auf Kapitalanleger zur Erzielung von Gewinnen erhöht und einen "Kredittourismus in den globalen Süden" ausgelöst hätten, betonte Kaiser. Wegen des Preisverfalls bei Rohstoffen könnten arme Länder nun häufig Kredite und Zinsen nicht mehr zurückzahlen. Damit wiederhole sich, was bereits in den 70er und 80er Jahren geschehen sei.

Sieben Billionen Dollar

Laut Schuldenreport sind 119 der 141 untersuchten Länder "kritisch verschuldet". In 87 der Staaten hat sich demnach die Situation weiter verschlechtert. 13 Länder hätten ihre Schuldenrückzahlungen aktuell ganz oder zumindest teilweise eingestellt. Seit Beginn der Finanzkrise 2008 habe sich die Gesamtverschuldung aller Niedrig- und Mitteleinkommensländer auf derzeit rund 6,9 Billionen US-Dollar nahezu verdoppelt. "Jahrelang haben wir im Schuldenreport vor einer drohenden weltweiten Schuldenkrise gewarnt", betonte Kaiser: "Diese Krise ist nun da."

Die Entwicklung sei besorgniserregend, betonte Schilder: "Die Menschen werden immer weiter in die Armut getrieben, wenn ein Großteil der Haushaltsmittel in den Schuldendienst fließt, statt für Investitionen in soziale Dienstleistungen wie Bildung und Gesundheitsvorsorge genutzt zu werden." Die Folgen seien unter anderem wachsende Arbeitslosigkeit und soziale Spannungen, steigende Migration und Instabilität ganzer Gesellschaften, hieß es. Die wachsende Staatsverschuldung fördere damit auch die soziale und politische Instabilität weltweit.

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