Gesetzessammlungen im Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe
epd-bild / Norbert Neetz
Mit Snowden und den NSA-Enthüllungen sind auch Verstrickungen des Bundesnachrichtendienstes ans Licht gekommen. Aber anstatt fragwürdige Überwachungsprogramme einzustellen, hat das BND-Gesetz sie legalisiert, kritisieren Journalistenverbände.
30.01.2018

Journalisten- und Bürgerrechtsgruppen sehen die freiheitliche Demokratie durch das vor einem Jahr in Kraft getretene Gesetz über die Kompetenzen des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Gefahr. Jetzt haben sie Verfassungsbeschwerde dagegen eingelegt. Ziel sei es, die vom Gesetz erlaubte anlass- und verdachtsunabhängige Massenüberwachung der Kommunikation von Journalisten durch den deutschen Auslandsgeheimdienst wieder abzuschaffen, sagte Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), am Dienstag in Berlin. Die Beschwerdeführer sprechen von einer Verletzung der Pressefreiheit und des Rechts auf geschützte Kommunikation.

Das Gesetz erlaube es dem BND, "Journalisten im Ausland praktisch schrankenlos zu überwachen und die Informationen mit anderen Geheimdiensten zu teilen", begründete der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen (ROG), Christian Mihr, den Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Das im Oktober 2016 vom Bundestag verabschiedete BND-Gesetz erlaube eine inakzeptable Einschränkung der Pressefreiheit: "Projekte wie die Paradise Papers zeigen, dass investigativer Journalismus zunehmend in internationalen Kooperationen entsteht." Mit der Überwachung ausländischer Journalisten höhle der BND auch das Redaktionsgeheimnis in Deutschland aus.

"Vertraulichkeit Voraussetzung für Journalismus"

Der Vorsitzende der Gesellschaft für Freiheitsrechte, Ulf Buermeyer, sprach von "Gummiparagrafen" im BND-Gesetz. Cornelia Haß, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju), sagte, mit dem Gesetz seien rote Linien überschritten worden. Vertrauliche Kommunikation sei eine wichtige Voraussetzung journalistischer Arbeit. Hanno Gundert vom Journalisten-Netzwerk n-ost mit Schwerpunkt Osteuropa sagte, es dürfe keine "Zwei-Klassen-Pressefreiheit" geben. Der journalistische Alltag lasse sich nicht mehr an Ländergrenzen entlang definieren.

Beschwerdeführer in Karlsruhe sind überwiegend investigativ arbeitende ausländische Journalisten, unter anderem aus den Niederlanden, Slowenien, Aserbaidschan, Mexiko und Großbritannien. Unterstützt werden sie von ROG, dem DJV, der dju, dem Netzwerk Recherche, dem Journalisten-Netzwerk n-ost sowie von der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Verlegerverbände fehlen hingegen.

Geheimdienst überwacht Medien

Nach Ansicht von ROG fehlt für die sogenannte strategische Fernmeldeaufklärung des BND eine ausreichende Rechtsgrundlage. Bei dieser Form der Massenüberwachung zapfe der BND große Datenleitungen an und filtere sie mit sogenannten Selektoren. Dies könnten Wörter sein oder auch Telefonnummern und Email-Adressen von Personen, für die sich der BND interessiert.

ROG zufolge waren in der Vergangenheit auch Journalisten im Visier des Geheimdienstes. So enthüllte der "Spiegel" etwa im Februar 2017, dass der BND ab 1999 offenbar gezielt ausländische Journalisten von renommierten Medien überwachte, unter anderen von BBC, Reuters und der "New York Times".

In der Kritik steht jetzt der unterschiedliche Schutz vor Überwachung abhängig von der jeweiligen Nationalität der Betroffenen. So darf der Auslandsgeheimdienst laut ROG die Kommunikation von Deutschen nicht abfangen, von EU-Bürgern unter Einschränkungen und von Nicht-EU-Bürgern immer dann, wenn dadurch die "Handlungsfähigkeit Deutschlands" gewahrt wird. Dies sei eine Quasi-Vollmacht, außerhalb der EU massenhaft Kommunikation zu filtern, so Mihr.

Verschärfend komme hinzu, dass Informationen mit anderen Geheimdiensten geteilt werden dürfen, so ROG. So werde ein gefährlicher "Ringtausch" legalisiert, bei dem etwa der BND die "Washington Post" anzapfen könnte und die Informationen mit der NSA tauscht, die im Gegenzug deutsche Medien abhört.

Teaserbild

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.