Justitia auf dem Frankfurter Römerberg
epd-bild/Heike Lyding
Die juristischen Verfahren gegen den bereits verurteilten Mörder Niels H. gehen weiter. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm 97 weitere Patientenmorde aus Geltungssucht und Langeweile vor.
22.01.2018

Der frühere Krankenpfleger Niels H. muss sich wegen 97 weiterer Morde vor Gericht verantworten. Nach Abschluss der umfangreichen Ermittlungen mit mehr als 100 Exhumierungen und toxikologischen Untersuchungen hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg nun erneut Anklage vor dem Landgericht Oldenburg erhoben, wie die Behörde am Montag mitteilte.

In dem neuen Verfahren gehe es um 62 Taten in Delmenhorst und 35 Taten in Oldenburg. Für sechs weitere Taten verbüßt H. bereits eine lebenslange Haftstrafe. Wegen der Schwere der Tat darf er nicht nach 15 Jahren entlassen werden.

Niels H. soll zwischen 2000 und 2005 mehr als 100 Menschen in Krankenhäusern in Oldenburg und Delmenhorst ermordet haben. Er hatte Patienten Medikamente gespritzt, um absichtlich lebensbedrohliche Herzprobleme bis hin zum Herzflimmern auszulösen. Anschließend reanimierte er seine Opfer, um als Held zu erscheinen. Bei Gerichtsverhandlungen sprach er auch von Langeweile als Motiv. Dabei habe H. den Tod der Patienten zumindest billigend in Kauf genommen, hieß es seitens der Staatsanwaltschaft.

Zahlreiche Hinweise

Der Leiter der Sonderkommission "Kardio", Arne Schmidt, hatte im vergangenen August die damaligen Klinikleitungen für die Todesfälle mitverantwortlich gemacht: In beiden Kliniken habe es frühzeitig zahlreiche Hinweise gegeben, die eine polizeiliche Ermittlung gerechtfertigt hätten. Allein aufgrund der Aktenlage wäre ein schwerer Verdacht auf H. gefallen, der ihn vermutlich auch überführt hätte. Laut der Staatsanwaltschaft dauern die Ermittlungen gegen damals verantwortliche Mitarbeitende im Klinikum Oldenburg noch an.

Die Behörden hatten bei ihren Ermittlungen auf 67 Friedhöfen in der Region insgesamt 134 Leichen exhumiert, um Beweise zu sichern. In der Türkei laufen laut Oberstaatsanwalt Martin Koziolek außerdem noch drei Rechtshilfe-Ersuchen. Die möglichen Opfer seien dort bestattet worden und hätten noch nicht auf Spuren untersucht werden können. Auch mehr als 130 weitere Verdachtsfälle können nicht weiter verfolgt werden, weil die mutmaßlichen Opfer mit einer Feuerbestattung beigesetzt wurden.

Drei weitere Verdachtsfälle in Deutschland werden Koziolek zufolge nicht weiter verfolgt. Die Experten hätten bei den Untersuchungen nicht ausschließen können, dass die bei den Exhumierungen gefundenen Medikamentenreste nicht doch im Rahmen der ärztlichen Behandlung verabreicht wurden.

Umfassendes Alarmsystem

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, hatte nach Bekanntwerden der vielen Morde im vergangenen Jahr ein bundesweites Alarmsystem gefordert. Nur in wenigen der bundesweit rund 2.000 Kliniken gebe es anonyme Whistleblower-Systeme, um Auffälligkeiten zu melden und schnell einzugreifen. Ein umfassendes Alarmsystem müsse zudem eine lückenlose Kontrolle der Medikamenten-Ausgabe auch in Pflegeheimen, eine aussagekräftige Sterbestatistik für jede Abteilung und amtsärztliche Leichenschauen umfassen.

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