Frauen in der Stadt
epd-bild/Annette Zoepf
Jetzt liegt es Schwarz auf Weiß vor: Frauen zahlen vor allem bei Dienstleistungen einen Aufschlag, eine "Pink Tax". Politik und Verbraucherschützer fordern ein härteres Vorgehen gegen die Anbieter.
20.12.2017

Rasierklingen in blauer Verpackung kosten 3,89 Euro, das exakt gleiche Produkt in Pink kostet 4,49 Euro. Das Beispiel stammt aus der Studie "Preisdifferenzierung nach Geschlecht in Deutschland", die die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Christine Lüders, am Mittwoch in Berlin vorstellte. Damit liegt die erste Studie vor, die gezielt Geschlechts-Unterschiede beim Preis von Produkten und Dienstleistungen in Deutschland untersucht. Das Ergebnis: Frauen zahlen vor allem bei Dienstleistungen deutlich mehr als Männer, im Schnitt müssen sie 13,80 Euro mehr berappen.

Einen Aufpreis müssen Frauen bislang vor allem beim Friseur und bei der Textilreinigung hinnehmen. Der Studie nach kostet ein Kurzhaarschnitt in 89 Prozent der untersuchten Friseur-Salons mehr als ein Männer-Kurzhaarschnitt, teils ist er sogar doppelt so teuer. Und 32 Prozent der Wäschereien verlangen für die Reinigung einer Damen-Bluse weitaus mehr als für ein Herren-Hemd. Aber auch Männer müssen manchmal mehr als Frauen zahlen. Sie legen bei rund neun Prozent der Dienstleistungen im Schnitt 7,50 Euro drauf, etwa beim Schuster.

Keine bewusste Benachteiligung

Bei den Produkten beginnen die Unterschiede bereits bei Kinderartikeln und ziehen sich bis zu Waren für das hohe Alter, wie Studien-Autorin Iris an der Heiden sagte. So kostet das Plastik-Tretauto "Bobby Car" bei einem internationalen Spielwarenhändler in Rot 32,98 Euro, in Pink mit gelbem Lenkrad 36,99 Euro. Grundsätzlich aber bieten nur wenige Hersteller oder Händler solche geschlechtsspezifischen Preise an: Von 1.682 untersuchten Produkten hätten nur 3,7 Prozent einen Preisunterschied gezeigt.

Lüders betonte, sie wolle Anbietern nicht unterstellen, dass sie bewusst ein Geschlecht benachteiligten. Sie wünsche sich aber ein "stärkeres Bewusstsein für die geschlechtsspezifische Preisgestaltung". Den Autorinnen der Studie zufolge sind Unterschiede beim Preis dann verboten, wenn sie pauschale Gründe für einen höheren Preis für ein Geschlecht verlangen.

So argumentierte die Friseurinnung, Frauen benötigten generell eine längere Beratung, und das Schneiden dauere im Schnitt 15 Minuten länger als bei Männern. Der Deutsche Textil-Reinigungsverband führt an, dass Frauen-Blusen oft aus Seide seien und deshalb mit der Hand gebügelt werden müssten - im Gegensatz zu baumwollenen Herren-Hemden. Lüders kritisierte diese Argumente als nicht mehr zeitgemäß.

Vom Rechtsweg riet sie Verbrauchern dennoch ab. Dieser sei aufwendig und teuer. Statt dessen sollten sie sich für geschlechtsneutrale Produkte entscheiden. In den nächsten Wochen will Lüders mit den Branchenverbänden "maßvolle und kundengerechte Lösungen" suchen. Ihr schweben eine Selbstverpflichtung und Mustervorlagen für geschlechtsneutrale Preise nach österreichischem Vorbild vor. Zudem regte sie ein Monitoring durch das Bundesverbraucherschutzministerium an, um Veränderungen festzuhalten.

Dreifache Diskriminierung

Die Studie stieß in Politik und bei Verbraucherschützern auf ein breites Echo. Die geschäftsführende Bundesfamilienministerin Katharina Barley (SPD) sieht jetzt die Unternehmen in der Verantwortung. "Eine systematische Benachteiligung von Frauen über den Preis ist nicht hinnehmbar", sagte sie.

Der frauenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sönke Rix, monierte, Frauen leisteten einen Großteil der unbezahlten Arbeit, verdienten im Durchschnitt rund 20 Prozent weniger als Männer und zahlten dann auch noch mehr für Dienstleistungen und Produkte. Er plädierte für ein Verbandsklagerecht, um das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) durchzusetzen.

Oliver Buttler, Wirtschaftsjurist der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg kritisierte den Preisaufschlag als "Pink Tax" im SWR und regte einen Zusatz im AGG an: "Das soll sich auf alle Lebensbereiche beziehen. Dann hätte man vielleicht solche Probleme nicht mehr."

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