Tatort nach Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
epd-bild/Christian Ditsch
Zum Jahrestag des Anschlags auf dem Berliner Breitscheidplatz vermisst der Hamburger Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar eine Debatte über die Ideologie islamistischer Attentäter.
18.12.2017

"Die politische Klasse verdrängt mögliche Zusammenhänge zwischen Moscheen, Hasspredigern und Terrorismus", sagte Kraushaar dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aktuell könne man dies an der Inschrift des geplanten Mahnmals erkennen, kritisiert Kraushaar, der die Kundgebung "Berlin gegen Islamismus" am 19. Dezember mit einem Beitrag unterstützt. "Die Inschrift ist eine Plattitüde, die ausspart, dass der Anschlag eine religiöse Signatur getragen hat."

Am 19. Dezember 2016 lenkte der tunesische Terrorist Anis Amri einen Lastwagen vorsätzlich in die Besuchermenge auf dem Weihnachtsmarkt nahe der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Bei dem Anschlag starben zwölf Menschen, mehr als 70 wurden teilweise schwer verletzt. Am Jahrestag des Terroranschlags auf dem Berliner Breitscheidplatz wird ein Gedenkzeichen für die Opfer eingeweiht. Das Mahnmal trägt die Inschrift: "Zur Erinnerung an die Opfer des Terroranschlags am 19. Dezember 2016. Für ein friedliches Miteinander aller Menschen."

Ausweichen der Politik

"Der Ort des Anschlags ist ja nicht zufällig ausgewählt worden", sagte Kraushaar. Der Attentäter habe möglichst viele Leute töten oder verletzen wollen, die sich mit Weihnachten, dem höchsten christlichen Fest, verbunden fühlen." Den antichristlichen Bezug müsse man bei der Bewertung des Anschlags unbedingt in Rechnung stellen. Dem weiche die Bundesregierung aus. "Bisher hat sie an dieser Stelle versagt", kritisiert Kraushaar.

Bei Anis Amri habe Religion zunächst keine Rolle gespielt, später sei er aber von einem Imam angeworben und instruiert worden, sagte Kraushaar. "Die religiöse Legitimierung stammte jedenfalls von diesem Imam."

Gefährliche Unberechenbarkeit

Medienberichten zufolge soll Amri von dem Islamisten und Imam Abu Walaa rekrutiert worden sein, der im Verdacht steht, dem "Islamischen Staat" nahezustehen. Derzeit muss sich Abu Walaa vor dem Oberlandesgericht in Celle wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen Vereinigung verantworten.

Noch werde das Gefahrenpotenzial islamistischer Anschläge von der Bundesregierung nur ungenügend thematisiert, sagte Kraushaar. "Die Unberechenbarkeit ist deshalb so gefährlich, weil man sich als Bürger in keiner Weise schützen kann", sagte der Extremismusforscher.

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