Christmette in Dresdner Kreuzkirche
epd-bild/Matthias Rietschel
Acht Prozent der Konfessionslosen planen, an Weihnachten einen Gottesdienst zu besuchen. Eine Rückkehr zur Kirche ist das für den Religionspsychologen Sebastian Murken nicht: Weihnachten sei für viele vor allem in kultureller Hinsicht bedeutend.
18.12.2017

Die meisten Kirchenmitglieder wollen an Weihnachten auf einen Gottesdienstbesuch verzichten. Nur 36 Prozent der römisch-katholischen Christen und 31 Prozent der evangelischen Christen planen zum Fest einen Kirchgang, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa für die "Bild"-Zeitung (Montag) ergab. Das Institut befragte im Auftrag des Blatts Anfang Dezember insgesamt 2.013 Bürger.

Religionspsychologe: Religiöse Inhalte an Weihnachten oft irrelevant

Die Zahlen "sind angesichts der abflachenden Glaubenskurve völlig plausibel", sagte der Marburger Religionspsychologe Sebastian Murken im epd-Gespräch. "Es hätte mich allerdings nicht überrascht, wenn Protestanten und Katholiken etwas weiter auseinander gelegen hätten. Bei den Katholiken ist der Anteil hochreligiöser und traditionsorientierter Menschen erfahrungsgemäß etwas höher als bei Protestanten. Ich hätte mir also vorstellen können, dass ein paar Katholiken mehr in die Christmette gehen", kommentierte der Honorarprofessors für Religionswissenschaft und Religionspsychologie.

In der Umfrage geben unter den evangelisch-freikirchlichen Christen 43 Prozent an, an Weihnachten in die Kirche gehen zu wollen. Auch acht Prozent der Konfessionslosen planen demnach mindestens einen Gottesdienstbesuch.

Dass der Gottesdienst zu Weihnachten sogar bei Konfessionslosen im Programm steht, ist dem Religionspychologen zufolge jedoch nicht als Rückkehr der Religiosität zu interpretieren: "Ein kleiner Teil der Kirchenmitglieder, 10bis 15 Prozent, sind hoch religiös. Sie nehmen religiöse Inhalte so ernst, dass sie ihr Denken und Fühlen bestimmen. Das sind die, die auch zu anderen Gelegenheiten in die Kirche gehen. Die Mehrheit der Kirchenmitglieder und auch der Kirchgänger stellen die Mittelreligiösen, Religion bedeutet ihnen ein bisschen was. Daneben gibt es eine größere Gruppe Menschen, für die der Gottesdienst einfach Teil des weihnachtlichen Ritus ist." Sie besuchten ihn aus kultureller Motivation heraus.

"Rituale unterstützen das Gefühl von Gemeinschaft"

Für sie sei der Gottesdienst oft Teil des alljährlichen Familienfestes, er gehöre schlichtweg zum Ritus. "Rituale unterstützen das Gefühl von Gemeinschaft, von Andacht und Ergriffenheit, manchmal aktivieren sie Kindheitserinnerungen, und sie strukturieren den Tag." Das funktioniere unabhängig von der eigenen Religiosität: "Für viele Kirchgänger sind religiöse Inhalte an Weihnachten vollkommen irrelevant, egal ob sie nun Mitglied einer Kirche sind oder nicht", sagt Murken.

Welche herausragende Stellung Weihnachtsgottesdienste im Kirchenjahr einnehmen, geht auch aus Unterlagen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hervor. In der Broschüre "Zahlen und Fakten zum kirchlichen Leben" aus dem Jahr 2016 heißt es, 8,4 Millionen Menschen besuchten an Heiligabend einen evangelischen Gottesdienst - "nicht nur Kirchenmitglieder. Besonders in den östlichen Bundesländern, in denen am Heiligen Abend rein rechnerisch fast zwei Drittel der evangelischen Kirchenmitglieder einen Gottesdienst besuchen, finden sich auch viele Nichtchristen zur Christvesper ein."

Nur ein Bruchteil der Weihnachtsgottesdienst-Besucher findet an anderen christlichen Feiertagen den Weg in die protestantischen Kirchen: Am ersten Advent und am Karfreitag verzeichnen die Gottesdienste nur rund eine Million Besucher - eine Relation, die laut Murken zeigt, dass die großen Feste für viele eher eine kulturelle als eine religiöse Bedeutung haben. "Ostern ist im Kirchenjahr viel wichtiger als Weihnachten, aber da gehen nur wenige in die Kirche. Der Osterritus kreist nun einmal darum, Eier zu verstecken", so der Experte.

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