Demonstration zum Gedenken an Oury Jalloh in Dessau 2008
epd-bild / Steffen Schellhorn
In der Bewertung des Falls Oury Jalloh durch die Ermittlungsbehörden in Sachsen-Anhalt ist nicht mit schnellen Ergebnissen zu rechnen. Der Sprecher der Generalsstaatsanwaltschaft Naumburg, Oberstaatsanwalt Klaus Tewes, sagte dem epd, die Prüfung der Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Halle werde mindestens sechs Wochen dauern.
08.12.2017

Der aus Sierra Leone stammende Asylbewerber starb am 7. Januar 2005 wenige Stunden nach seiner Inhaftierung bei einem Brand in einer Dessauer Polizeizelle.

Zudem steht eine Entscheidung des Generalbundesanwalts in Karlsruhe im Fall Jalloh aus. Dort war am Donnerstag eine Anzeige wegen Mordverdachts gegen einen Polizisten eingegangen, der am Tod des Asylbewerbers vor fast 13 Jahren beteiligt gewesen sein soll. In der Vergangenheit hatte sich der Generalbundesanwalt geweigert, die Ermittlungen in dem Fall an sich zu ziehen. Ein Sprecher der Generalbundesanwaltschaft sagte am Freitag, dass die Anzeige derzeit geprüft werde.

Zugleich werden die Rufe nach außerhalb Sachsen-Anhalts angesiedelten Ermittlern immer lauter. Die Grünen-Innenexpertin im Bundestag, Irene Mihalic, sprach sich gegenüber der "Mitteldeutschen Zeitung" (Online) für eine erneute Überprüfung durch den Generalbundesanwalt aus. Dabei verwies sie auf neue Informationen über die Vorfälle im Polizeirevier Dessau-Roßlau. Es sei die Frage, ob diese Erkenntnisse dem Generalbundesanwalt bei dessen früherer Bewertung bereits vorlagen.

"Bock zum Gärner" gemacht

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Magdeburger Landtag, Henriette Quade, erklärte, mit der Entscheidung des Magdeburger Justizministerin, Anne-Marie Keding (CDU), den Fall Jalloh an die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg abzugeben, habe sie den "Bock zum Gärtner" gemacht. Schließlich habe der Generalstaatsanwalt im Rechtsausschuss des Landtages "unzureichend und in Teilen falsch" über die Ermittlungen informiert. Nach Bekanntwerden unterschiedlicher Einschätzungen zur Todesursache durch die Staatsanwaltschaft Halle und die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau hatte Keding die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg angewiesen zu übernehmen.

Die Grünen-Innenexpertin und gelernte Polizistin Mihalic verwies bei ihrer Forderung nach dem Generalbundesanwalt auch auf eine Stellungnahme des Bundesjustizministeriums. Danach darf dieser Ermittlungen von Landesjustizbehörden etwa im Fall eines "Tötungsdeliktes an einer in polizeilichen Gewahrsam befindlichen Person" übernehmen. Voraussetzung dafür sei, dass der Täter sein Opfer nur deshalb angreift, weil es einer etwa rassischen oder nationalen Minderheit angehört, heißt es in einer Antwort des Justizministerium auf eine schriftliche Anfrage der Grünen-Innenexpertin, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt.

Polizisten könnten Jalloh angezündet haben

Oury Jalloh kam am 7. Januar 2005 bei einem Brand in einer Dessauer Polizeizelle ums Leben. Er starb gefesselt an einer Matratze. Auch nach mehreren Gerichtsverfahren und Brandversuchen konnte der Fall bislang nicht aufgeklärt werden. Jalloh soll die Matratze mit einem Feuerzeug selbst angezündet haben. Dies wird von mehreren Brandgutachtern angezweifelt. Sie vermuten den Einsatz von Brandbeschleunigern.

Keding hat inzwischen Vorwürfe der Falschinformationen und der Vertuschung zurückgewiesen. Hintergrund sind Mutmaßungen über eine Vertuschungstat von Polizisten. Sie gehen auf einen der "Mitteldeutschen Zeitung" vorliegenden Vermerk eines zuständigen Oberstaatsanwaltes in Dessau-Roßlau zurück, in dem dieser eine Selbsttötung Jallohs ausschließt, aber eine Verbindung zwischen dem Tod Jallohs und zwei früheren Todesfällen in Dessauer Polizeizellen zieht. Danach könnten Beamte Oury Jalloh angezündet haben, schreibt die Zeitung, um zuvor zugefügte Verletzungen zu vertuschen und damit auch weitere Ermittlungen im Zusammenhang mit den früheren Todesfällen zu verhindern.

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