Ditib-Zentralmoschee in Köln
epd-bild/Guido Schiefer
Der türkischen Regierung nahestehende Vereinigungen verstärken seit dem Putschversuch ihren Einfluss in Deutschland. Das bestätigt nun auch die Bundesregierung. Derweil hat die Bundesanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen Ditib-Imame eingestellt.
06.12.2017

Der Einfluss Ankaras auf die türkischen Gemeinden in Deutschland nimmt nach Erkenntnissen der Bundesregierung zu. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt und über die zuerst "Die Welt" (Mittwoch) berichtete.

Seit dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 lasse sich eine Intensivierung der Versuche des türkischen Staates feststellen, Einfluss zu nehmen, schreibt das Innenministerium: "Nach Einschätzung der Bundesregierung hat die türkische Regierung über in Deutschland tätige regierungsnahe Organisationen, Interessenverbände und Personenzusammenschlüsse vielfältige Möglichkeiten der Einflussnahme vor allem auf die hier lebende, mehr als drei Millionen umfassende Türkei-stämmige Bevölkerung." Staatliche, staatsnahe und parteinahe Institutionen nutzten alle Formen und Kanäle der klassischen und der Online-Medien.

Bestätigt wird in der Antwort der Bundesregierung auch, dass es im Konflikt um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland zum Verfassungsreferendum im April einer Hacker-Gruppe mit dem Namen "Cyber Warrior" gelungen war, Twitter-Konten von Prominenten zu kapern und dort Nazi-Vorwürfe gegen Deutschland und die Niederlande zu platzieren.

Fehlender Tatverdacht

Unterdessen hat der Generalbundesanwalt seine Ermittlungen gegen Imame des türkischen Islam-Verbandes Ditib wegen mutmaßlicher Agententätigkeit eingestellt. Die Geistlichen waren verdächtigt worden, im Auftrag der türkischen Religionsbehörde Diyanet Anhänger der Gülen-Bewegung ausspioniert zu haben, die Erdogan für den Putschversuch verantwortlich macht.

Ende vergangenen Jahres war bekanntgeworden, dass Imame der Ditib in mehreren deutschen Städten Gemeindemitglieder ausspioniert und Berichte über mutmaßliche Anhänger der Gülen-Bewegung verfasst haben sollten. Wie die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mitteilte, war gegen 19 Verdächtige ermittelt worden, hauptsächlich in Ditib-Moscheen tätige islamische Geistliche.

Bei sieben Beschuldigten seien die Ermittlungen wegen eines fehlenden hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Bei fünf hätten sich die Vorwürfe als geringfügig erwiesen. Sieben Beschuldigte hätten die Bundesrepublik Deutschland verlassen und hielten sich an unbekannten Orten auf. Das gelte als Hindernis für die Fortsetzung der Ermittlungen, da eine Anklageerhebung nicht möglich sei.

Haftbefehle abgelehnt

Anträge auf Erlass eines Haftbefehls gegen diese Beschuldigten seien vom Bundesgerichtshof abgelehnt worden, hieß es. Das sei im Wesentlichen damit begründet worden, dass ein dringender Tatverdacht nicht gegeben gewesen sei. Infolgedessen hätten die Verdächtigen Deutschland verlassen können.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt nach eigenen Angaben weiterhin gesondert wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit im Zusammenhang mit Ausspähaktionen des türkischen Geheimdienstes MIT. Es bestehe der Verdacht, dass türkische Agenten angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung in Deutschland ausspioniert haben.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion, Sevim Dagdelen, warf der Bundesregierung vor, als "Fluchthelferin" agiert und die "Spitzel-Imame in die Türkei entkommen" zu lassen haben. Sie forderte eine parlamentarische Aufklärung des Vorgangs.

"Erdogan-Netzwerk"

Dagdelen, die die Anfrage an die Bundesregierung gestellt hatte, bilanzierte: "Die Bundesregierung räumt zum ersten Mal öffentlich die Existenz des Erdogan-Netzwerks sowie Hacker-Angriffe Ankaras auf Deutschland ein." Die Außenexpertin ihrer Fraktion forderte die Regierung auf, "entschieden gegen diese unheilvolle Allianz aus Lobbyisten, Agenten, Imamen, Trollen und Schlägerbanden in Deutschland vorzugehen".

Zu den Organisationen, die ihren Einfluss in Deutschland verstärkt haben, zählt die Bundesregierung türkische Auslandsvertretungen, die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) und die Ditib, die unter anderem Islamunterricht an staatlichen Schulen verantwortet.

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