Fitness-App
epd-bild/Friedrich Stark
Schrittzahl, Puls, Kalorien der Mahlzeiten von gestern: Apps und Wearables können heute präzise das Leben vermessen. Die Daten werden gespeichert, weitergegeben, ausgewertet. Chance oder Risiko für den Einzelnen? Sowohl als auch, sagt der Ethikrat.
30.11.2017

Peter Dabrock und Steffen Augsberg machen den Selbstversuch: Bei der Präsentation der Stellungnahme des Ethikrats zu "Big Data und Gesundheit" am Donnerstag in Berlin tragen beide eine Smartwatch, einen kleinen Computer am Handgelenk, der ihren Alltag vermisst: Schrittzahl, eventuell Puls, sportliche Aktivitäten. Augsberg ist Mitglied des Ethikrats, Dabrock Vorsitzender des Gremiums. Man habe selbst ausprobieren wollen, worum es geht, sagt Augsberg. Ein persönliches Resümee von ihm: Er bemerke ein "leicht pathologisches Verhalten", seitdem er das Wearable trägt.

Der Einfluss von Fitnesstrackern und Co. auf den persönlichen Alltag ist nur eine der vielen Facetten, mit denen sich die Stellungnahme des 26-köpfigen Ethikrats befasst. Auf rund 200 Seiten widmet sich das Gremium den Chancen und Risiken sogenannter Big Data. Gemeint ist damit der Umgang mit großen Datenmengen - wie sie Nutzer von Apps hinterlassen -, um darin Muster zu erkennen und Erkenntnisse abzuleiten. Es geht um medizinische Forschung, Weiterentwicklung von Therapien, Nutzen für Krankenversicherungen und letztlich auch um Datenschutz und Manipulationsmöglichkeiten.

Kein klares Plädoyer

Wer vom Ethikrat ein klares Plädoyer für oder gegen die massenhafte Datensammelei erwartet, wird enttäuscht. Das Teilen von Daten biete ungeahnte Möglichkeiten, Heilungschancen zu verbessern, sagt Dabrock. Forschung, Diagnostik, Therapie und Prävention könnten aus den Daten Nutzen ziehen. Er geht sogar noch einen Schritt weiter: Man müsse ethisch sogar fragen, ob es nicht eine gewisse Pflicht dazu gebe, Daten in den Pool einzuspeisen, von denen letztlich jeder profitieren will.

Genauso sehen die Experten aber auch die Gefahren der Datensammelwut. Einmal gespeichert können sie auch für Zwecke verwendet werden, die der "Datengeber" so nicht beabsichtigt hat - Manipulation und Missbrauch nicht ausgeschlossen. Auch vom Risiko einer Entsolidarisierung ist in der Stellungnahme die Rede, sollten etwa Krankenversicherungen die Daten für ihre Tarifpolitik nutzen.

Als zentrale Forderung leitet der Ethikrat aus der Abwägung der Chancen und Risiken ab, die "Datensouveränität" des Verbrauchers zu stärken. Ein Teil davon ist die rechtliche Seite. Die klassischen Datenschutzmechanismen ließen sich in dem Bereich nicht mehr halten, sagte Dabrock. Augsberg ergänzte, nach der gerade erfolgten europäischen Datenschutzreform habe man keine große Hoffnung auf eine neue, grundlegende Änderung.

Auf Big Data grundsätzlich verzichten

Teile der Empfehlungen könnten aber bei den Verhandlungen über die künftige Regierungskonstellation aufgenommen werden, appelliert er. Sie umfassen unter anderem Vorschläge für eine Neuordnung von Privatsphäre-Einstellungen von Anwendungen, die Einführung eines Datengütesiegels und Regeln für die Einwilligungspraxis.

Neben dem Staat sieht der Ethikrat aber viele andere Akteure wie Forschungsinstitutionen, datenverarbeitende Unternehmen oder Versicherungen in der Pflicht. 25 Mitglieder des Ethikrats unterstützen die Empfehlungen. Die Medizinerin Christiane Fischer plädiert in einem Sondervotum, auf die Nutzung von Big Data gänzlich zu verzichten, sofern Datenschutz, Anonymität und das sogenannte Recht auf Vergessen nicht gewährleistet werden können.

Die Stellungnahme gebe der Politik Hausaufgaben, sagte der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Gemeinsam mit Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) nahm er die Stellungnahme entgegen.

Teaserbild

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.