Kinder beim Fernsehen
epd-bild / Rolf Zöllner
"Wespentaillen und Sanduhrfiguren": Weibliche Zeichentrick-Figuren entsprechen nach Einschätzung von Experten eher erotischen Fantasien von erwachsenen Männern als realistischen Rollenvorbildern - für Mädchen kann das weitreichende Folgen haben.
28.11.2017

Die weiblichen Zeichentrick-Figuren der wichtigsten deutschen Kindersender werden einer Studie zufolge häufig hypersexualisiert dargestellt. Über 50 Prozent der weiblichen Figuren besäßen "Wespentaillen und Sanduhrfiguren", die nicht mehr im anatomisch möglichen Bereich liegen, führen die Wissenschaftlerinnen Elizabeth Prommer und Christine Linke von der Universität Rostock aus. Ihre Untersuchung zu 327 gezeichneten Serienprotagonisten der Kindersender Kika, Super RTL, Disney Channel und Nickelodeon wurde am Dienstag bei einer Tagung in München vorgestellt.

Jungen und Männer realistischer dargestellt

Weibliche Figuren mit Übergewicht gebe es gar nicht, erklärten die Forscherinnen. Jungs und Männer würden dagegen deutlich realistischer dargestellt: Sie hätten nur selten eine schmale Taille und ein übertrieben breites Kreuz, seien dafür aber öfter korpulent. Die Tagung des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) in München drehte sich um das Thema "Starke Mädchen - starke Jungen? Das Mädchen- und Jungenbild im Kinderfernsehen und seine Bedeutung für die Identitätsentwicklung".

Basis für die Messungen der weiblichen Serienfiguren war der sogenannte Taille-Hüfte-Quotient, bei dem der Umfang der Hüfte durch den Umfang der Taille geteilt wird. Am attraktivsten gelte bei Erwachsenen ein Wert von 0,7, heißt es in der Studie. Anatomisch normal sei 0,8. Kinder hätten in der Regel einen Wert von 1. Nach der Pubertät könne der weibliche Körper maximal einen Quotienten von 0,68 erreichen. Verzerrte und damit unnatürliche Körperbilder lägen vor, wenn weibliche Figuren nach der Pubertät den Wert 0,68 unterschreiten.

In den Serien der vier untersuchten Sender bewege sich über die Hälfte der Protagonistinnen deutlich unter diesem Wert, kritisieren die Wissenschaftlerinnen. Die Meerjungfrau Marina aus der Super-RTL-Serie "Zig & Sharko" weise mit 0,2 den niedrigsten aller gemessenen Werte auf, die Fee Flora aus "Winx Club" (Nickelodeon) folge mit 0,29 knapp dahinter.

Meerjungfrauen und Feen

IZI-Leiterin Maya Götz sagte dem epd, es könne weitreichende Folgen haben, wenn Mädchen mit dem Bild "unerreichbar schlanker Körper" aufwachsen. "Sie verinnerlichen dieses Bild und gehen zunächst davon aus, sie würden bald so aussehen. Spätestens mit Beginn der Pubertät sind damit eine Beschämung und ein Verlust des Selbstwertes verbunden, was bis in die Identitätskrise führen kann."

Nach Ansicht der Wissenschaftlerin handelt es sich bei den weiblichen Zeichentrickfiguren um die "erotischen Fantasien und Wünsche von erwachsenen Männern." Die internationale Zeichentrickbranche sei eine Männerdomäne: Der Anteil der Autorinnen liege bei unter 20 Prozent, die Zahl der Regisseurinnen sogar nur bei zehn Prozent.

Nur 20 Prozent der Figuren haben der Studie zufolge einen Wert, der dem von echten Kindern entspreche. Die Titelheldin der aus den USA importierten Nickelodeon-Serie "Dora", anfangs ein vollschlankes Mädchen mit einem Quotienten von 1,3, habe im Lauf der Jahre deutlich an Gewicht verloren und liege jetzt bei 0,94.

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