Protest gegen Wahlerfolg der AfD, September 2017.
epd-bild/Christian Ditsch
Eine Studie im Auftrag der Amadeu Antonio Stiftung sieht einen Zusammenhang zwischen politischer Entfremdung und Votum für Rechtspopulisten. Wolfgang Thierse plädierte für dauerhafte Demokratieförderung in Regionen mit hohem rechten Wähleranteil.
21.11.2017

Der Wahlerfolg der AfD bei der Bundestagswahl am 24. September hängt einer neuen Studie zufolge eng mit einem guten Abschneiden der rechtsextremen NPD bei der Bundestagswahl 2013 zusammen. Auch ein hoher Anteil von Nichtwählern begünstigte in den jeweiligen Wahlkreisen hohe Zweitstimmenanteile für die AfD. Das ergab eine Untersuchung des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft im Auftrag der Amadeu Antonio Stiftung, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Die rechtskonservative Partei hatte bei der Wahl bundesweit 12,6 Prozent der Zweitstimmen erhalten und ist damit drittstärkste Kraft im Bundestag.

Demokratieverdrossenheit

Sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland habe die AfD in vielen Wahlkreisen von einer politischen Kultur profitiert, in der sich Demokratieverdrossenheit und Rechtsextremismus normalisieren konnten, befanden die Autoren der Studie. Bisherige Untersuchungen hätten vor allem sozioökonomische Betrachtungen wie Arbeitslosigkeit oder wirtschaftlich schwache Regionen als Erklärversuche für den AfD-Wahlerfolg herangezogen, sagte Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung.

Die neue Studie betrachte zusätzlich politisch-kulturelle Zusammenhänge wie Wahlpräferenzen, Zweitstimmen- und Nichtwähleranteile. Zusätzlich zogen die Autoren soziodemografische Aspekte wie Alter, Bildungsstand, Bevölkerungsdichte und Migrationsanteile heran. Basis für die Auswertung waren laut Reinfrank Daten des Bundeswahlleiters aus den 238 west- und 61 ostdeutschen Wahlkreisen.

Danach lassen sich geografische Räume feststellen, in denen die AfD besonders erfolgreich war. Als Beispiel nennt die Studie den Wahlkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge, wo die NPD 2013 über fünf Prozent der Zweitstimmen erhielt. 2017 erreichte dort die AfD mit 35,5 Prozent ihr bundesweit höchstes Wahlergebnis. Im bayerischen Deggendorf lag der Nichtwähler-Anteil 2013 bei 39,6 Prozent, die AfD kam 2017 dort auf 19,2 Prozent. Je höher der Nichtwähler- oder der NPD-Wähleranteil in einem Wahlkreis 2013, desto mehr Zweitstimmen holte die AfD dort 2017, heißt es in der Studie.

"Normalisierungseffekt für rechte Gesinnung"

Die politische Kultur in diesen Räumen sei über lange Zei gewachsen, sagte Studien-Co-Autor Christoph Richter. Durch den teils schon langen Erfolg der NPD habe sich ein Normalisierungseffekt für rechte Gesinnung eingestellt. "Im AfD-Wahlerfolg schreibt sich die demokratische Entkoppelung fort, die mit einer Verharmlosung des Rechtsextremismus und einer Normalisierung der NPD über Jahre begünstigt wurde", ergänzte Reinfrank.

Als Gegenbeispiel zogen die Studien-Verfasser das westfälischen Münster heran: Dort kam die NPD 2013 auf nur 0,27 Prozent. Die AfD erzielte dort 2017 mit 4,9 Prozent ihr bundesweit schlechtestes Ergebnis. Die große Fluchtbewegung 2015 sei nicht Ursache, sondern Anlass für den Rechtsruck und die hohen AfD-Wahlergebnisse gewesen, schlussfolgern die Autoren der Studie.

Thierse warnt vor Verharmlosung

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), Schirmherr der Amadeu Antonio Stiftung, unterstrich, der Wahlerfolg der AfD sei eine "ernste Herausforderung für die Demokratie". Er warnte vor einer Verharmlosung der Rechtspopulisten und vor einseitigen Ursachenanalysen.

Thierse appellierte an die Politiker auch seiner eigenen Partei, die tiefe Verunsicherung der Menschen und ihr Heimatbedürfnis vor allem in Ostdeutschland ernst zu nehmen. "Die SPD muss zeigen, dass sie Land und Leute liebt", sagte Thierse. Er plädierte für eine dauerhafte Demokratieförderung in Regionen mit hohem Anteil rechtsgerichteter Wähler.

Reinfrank bekräftigte die Forderung nach einem Demokratiefördergesetz, um die langfristig Demokratie-Arbeit sicherzustellen. Denn die über viele Jahre gewachsene politische Kultur könne nicht binnen einer Legislaturperiode verändert werden. "Die Menschen für einen demokratischen Prozess zurückzugewinnen, wird eine langfristige Herausforderung sein", sagte er.

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