Stefan Mey
epd-bild/Ralf Ruehmeier/Verlag C.H.Beck
Nach Einschätzung des Internetexperten Stefan Mey ist das gewöhnliche Internet bedenklicher als das sogenannte Darknet. "Auf geschlossenen Facebook-Gruppen werden vermutlich mehr Drogen gehandelt als im kompletten Darknet", sagte Mey dem epd.
10.11.2017

Für sein Buch "Darknet. Wie die digitale Unterwelt funktioniert" recherchierte Mey jahrelang im Darknet, um herauszufinden, wie dessen Regeln sind. Im Darknet werden Nutzerdaten verschleiert. Das ermöglicht Usern, sich dort anonym zu bewegen.

epd: Ist das Darknet ein guter oder ein schlechter Ort?
Stefan Mey: Das Darknet ist ein Abbild der Gesellschaft - es ist nicht per se gut oder ethisch fragwürdig. Viele der dort angebotenen Inhalte sind verboten. Auf Marktplätzen verkaufen Dealer Drogen, gefälschte Pässe oder Waffen. Aber im Darknet trifft man auch Whistleblower an, also Menschen, die über Missstände oder Kriminalität in ihrem Unternehmen oder in der Politik berichten wollen. Sie nutzen die Anonymität des Darknets, um sich mit ihren Informationen an Investigativjournalisten zu wenden. Das Darknet ermöglicht diesen Menschen, sich für eine gerechtere und freiere Welt einzusetzen. Das eigentliche Internet ist bedenklicher als das Darknet: Im Internet finden sich zuhauf organisierte Nazis oder Islamisten. Auf geschlossenen Facebook-Gruppen werden vermutlich mehr Drogen gehandelt als im kompletten Darknet. Während bei Facebook eine Milliarde Menschen täglich online sind, nutzen das Darknet nur weltweit täglich maximal 100.000 Menschen - seine Bedeutung ist klein.

Große Feinde der offiziellen Behörden


epd: Im Darknet ignorieren viele Nutzer bestehende Gesetze. Gibt es dennoch ethische Grundsätze, an denen sich die Darknet-Gemeinde orientiert?
Mey: Es gibt eine starke Selbstregulierung bezüglich kinderpornographischer Inhalte. Wer so etwas anbietet auf den Marktplätzen, wird ganz schnell rausfliegen. Zwar gibt es keine Darknet-Polizei, oft bekämpfen aber Hacker wie die Gruppe "Anonymous" solche Foren, indem sie Daten der Nutzer veröffentlichen. Darknet-User sind große Feinde der offiziellen Behörden, das führt aber nicht zwangsläufig zu einer Verrohung im Miteinander. Nutzer, die Hassrede verbreiten, wie zum Beispiel Nazis, bekommen sofort Gegenrede zu spüren.

Das Darknet als Utopie


epd: Bisher fungiert das Darknet hauptsächlich als Marktplatz für Kriminelle. Dennoch sehen Sie großes Potenzial darin?
Mey: Im Internet hinterlassen sehr viele Menschen sehr viele Daten - doch deren Verwendung ist oft nicht klar geregelt. Schon heute nutzen Länder wie China Daten ihrer Bürger, die sie im Internet hinterlassen haben, um gesellschaftliche Freiheit zu unterdrücken. Daran zeigt sich das totalitäre Potenzial des Internets. Das Darknet wirkt demgegenüber trotz allem wie eine Utopie: Die Nutzer bleiben anonym, potenziell kann man von überall darauf zugreifen. Auch wenn Zensurbehörden in einigen Ländern das Darknet blockieren können, scheint darin die Idee eines Austausches einer globalen Zivilgesellschaft auf. Es könnte als Katalysator für bessere Lebensverhältnisse für alle dienen. Wahrscheinlicher ist leider, dass auch das Darknet wie das Internet eines Tages ein kommerzieller Ort wird.

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