Justitia auf dem Römerberg in Frankfurt am Main
epd-bild/Heike Lyding
Das Hamburger Landgericht hat den Sterbehilfe-Arzt Johann S. (75) freigesprochen. Zwei Hamburger Frauen im Alter von 81 und 85 Jahren hatten im Beisein des Arztes am 10. November 2012 ein tödlich wirkendes Medikament eingenommen.
08.11.2017

Die beiden Frauen hätten "ernsthaft" und mit "innerer Festigkeit" über längere Zeit den Wunsch verfolgt zu sterben und eine entsprechende Patientenverfügung verfasst, sagte der Vorsitzende Richter Matthias Steinmann in der Urteilsbegründung. (AZ. 3490 Js 76/12)

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Arzt aus Datteln (NRW) Totschlag vorgeworfen und sieben Jahre Haft gefordert. Sie warf dem Neurologen und Psychiater vor, dass er die beiden Frauen falsch beraten und keine Alternativen zum Suizid angeboten habe. Die Verteidigung hatte Freispruch gefordert.

Beide Frauen hatten sich zwei Jahre vor ihrem Suizid an den Verein Sterbehilfe Deutschland des früheren Hamburger Justizsenators Roger Kusch gewandt. Ein Video mit dem Beratungsgespräch blieb jedoch trotz Hausdurchsuchungen verschwunden. Der ehemalige CDU-Politiker hatte den Arzt für ein Gutachten vermittelt, war selbst aber nicht angeklagt.

Angst vor einer Pflegedürftigkeit

Die beiden Frauen hätten aktiv im Leben gestanden, führte Richter Steinmann aus. Sie hätten Reisen unternommen, Fitness betrieben und Verwandte besucht. Sie hätten altersbedingte Beschwerden, aber keine lebensbedrohenden Krankheiten gehabt. Offenbar hätten sie aber Angst vor einer Pflegedürftigkeit gehabt und Sorge, dass ihre Finanzen nicht ausreichten. Steinmann: "Wir müssen es auch nicht verstehen."

Das Gericht geht davon aus, dass der Verein Sterbehilfe das tödliche Malaria-Medikament besorgt hat, das die Frauen mit einem Medikament gegen Übelkeit und einem Schlafmittel eingenommen hatten. Der Arzt war bei der Einnahme anwesend und rief eine halbe Stunde nach Atemstillstand die Polizei.

Der Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung treffe ihn dennoch nicht, so das Gericht, weil die beiden Frauen lebensverlängernde Maßnahmen ausdrücklich abgelehnt hätten. Eine Rettung wäre ohnehin sehr unwahrscheinlich gewesen. Auch ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz komme angesichts der geringen Mengen nicht in Betracht.

Verbot der organisierten Suizidbeihilfe

Er sei erleichtert, aber nicht überrascht, sagte der Arzt nach der Urteilsverkündung. Er habe die beiden Frauen umfassend beraten und ihnen Perspektiven für ein gutes Leben im Alter aufgezeigt. Ob die Staatsanwaltschaft Revision einlegen wird, werde derzeit noch geprüft, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Ende 2015 ist ein neues Bundesgesetz in Kraft getreten, das die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt. Damit soll Sterbehilfe-Organisationen die rechtliche Grundlage entzogen werden. Da der Fall aber länger zurückliegt, kommt das Gesetz in diesem Fall nicht zur Anwendung.

Der Freispruch mache klar, wie wichtig das Verbot der organisierten Suizidbeihilfe in Deutschland sei, sagte Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientenschutz. Der neue Paragraf 217 stelle genau solche Taten unter Strafe.

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