Alleinerziehende Mutter mit Kindern
epd-bild/Maike Gloeckner
Armut von Kindern droht laut einer Studie zu einem Dauerzustand zu werden. Auch auf ihrem späteren Weg bleiben ärmeren Kindern viele Chancen verbaut. Sozialverbände fordern von der künftigen Bundesregierung Reformen.
23.10.2017

Leben Kinder in Armut, bleiben sie über Jahre benachteiligt. Zwei Drittel der von Armut betroffenen Kinder leben dauerhaft oder wiederkehrend in solchen Bedingungen, wie die Bertelsmann Stiftung am Montag in Gütersloh bei der Vorstellung einer neuen Studie mitteilte. Demnach lebt jedes fünfte Kind in Armut. Besonders armutsgefährdet seien Kinder alleinerziehender Eltern, mit mindestens zwei Geschwistern oder mit geringqualifizierten Eltern. Sozialverbände forderten, in den anstehenden Koalitionsverhandlungen konkrete Maßnahmen gegen Kinderarmut zu beschließen.

Armut bedeute in Deutschland zwar nicht, kein Dach über dem Kopf oder kein Essen zu haben, erklärten die Autoren der Studie. Kinder in armen Verhältnissen müssten jedoch auf vieles verzichten, was für andere ganz normal zum Aufwachsen und Leben dazu gehöre. Wer schon als Kind arm sei und nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen könne, habe auch in der Schule schlechtere Chancen. Als arm gelten Familien, die weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommens haben oder staatliche Grundsicherung erhalten.

Caritas: Studienergebnis beschämend

Die künftige Familien- und Sozialpolitik müsse die Vererbung von Armut durchbrechen, forderte der Vorstand der Bertelsmann Stiftung, Jörg Dräger. Die Bedürfnisse von Kindern müssten systematisch erfasst werden. Zudem müsse eine neue finanzielle Leistung geschaffen werden, die bisherige familienpolitische Leistungen bündele.

Die Caritas bezeichnete die Ergebnisse der Studie als beschämend. Der katholische Wohlfahrtsverband und die evangelische Diakonie forderten am Montag in Berlin, in den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen konkrete Maßnahmen gegen Kinderarmut zu beschließen. Caritas-Präsident Peter Neher plädierte dafür, "in den Geburtsklinken flächendeckend präventive Lotsendienste einzuführen, damit alle Eltern Zugang zu frühen Hilfen erhalten".

Diakonie fordert gezielte Hilfen

Laut Diakonie sind gezielte Hilfen insbesondere für Alleinerziehende, Familien von Langzeit-Erwerbslosen und für kinderreiche Familien nötig. "Dazu brauchen wir eine einheitliche Sockelförderung als Kindergrundsicherung sowie kostenlose Verpflegung in Kita und Schule, Bildungsförderung, Beratungs- und Freizeitangebote", sagte Vorstandsmitglied Maria Loheide.

Aktuell wachsen 2,7 Millionen Kinder und Jugendliche in Armut auf, wie der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, erklärte. Nötig sei eine Familienförderung mit einer Kindergrundsicherung. Auch das Deutsche Kinderhilfswerk mahnte eine Anhebung der Kinderregelsätze und eine Reform des Kinderzuschlags bis hin zu einer Kindergrundsicherung an. Zudem müsse ein besonderer Schwerpunkt auf die Bildung gelegt werden.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte die künftige Bundesregierung auf, einen "Masterplan zur Armutsbekämpfung" auf den Weg zu bringen. Kinder könnten nur dann aus armen Verhältnissen herauskommen, wenn die finanzielle Situation der gesamten Familien verbessert werde, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Ähnlich äußerte sich auch der Sozialverband VdK, der armutsfeste Arbeit, Ganztagsbetreuung sowie familienfreundlich gestaltete Arbeitsplätze forderte.

Mehr arme Alleinerziehende

Das Armutsrisiko von Alleinerziehenden hat sich auch nach Daten der Bundesregierung in den vergangenen Jahren spürbar erhöht: Im Jahr 2005 lag der Anteil dieser Bevölkerungsgruppe mit entsprechend geringen Einkünften noch bei 39,3 Prozent, wie die "Saarbrücker Zeitung" (Montag) unter Berufung auf aktuelle Daten der Bundesregierung berichtet, die die Linksfraktion im Bundestag abgefragt hatte. Im vergangenen Jahr lag ihr Anteil bereits bei 43,6 Prozent.

Für die Bertelsmann Studie untersuchten die Forscher über einen Zeitraum von fünf Jahren die Einkommenssituation von Familien. Zu fast 3.200 Kindern wurden Informationen ausgewertet.

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