Plakate zur Bundestagswahl in Berlin.
epd-bild/Jürgen Blume
Für ihre AfD-Berichterstattung haben ARD und ZDF von Politikern mehrerer Parteien vor laufender Kamera Schelte bekommen. Die Sender geben den Ball zurück: Die Parteien müssten sich selbst fragen, wie sie zum Erstarken der AfD beigetragen hätten.
27.09.2017

Die Chefredakteure von ARD und ZDF haben Kritik an der AfD-Berichterstattung ihrer Sender zurückgewiesen. "Vieles, was wir am Wahltag gehört haben, hat natürlich mit dem Wahltag und den Enttäuschungen über die Wahlergebnisse zu tun, und das sollte man vielleicht auch hinter sich lassen", sagte ZDF-Chefredakteur Peter Frey am Mittwoch im "Morgenmagazin" des Senders. Vertreter mehrerer Parteien hatten den Umgang der Öffentlich-Rechtlichen mit der AfD im Bundestagswahlkampf kritisiert. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sieht eine Mitverantwortung der Medien für das Erstarken von Populisten.

"Wir alle haben Anlass dazu, darüber nachzudenken, was die AfD stark gemacht hat", sagte Frey. Nicht nur die Medien, sondern auch Parteien und zivilgesellschaftliche Kräfte wie Kirchen und Gewerkschaften müssten sich fragen, was eigentlich so viele Wähler zur AfD gebracht habe. Das ZDF benutze auch niemanden, um seine Quoten nach oben zu betreiben: In der Talkshow "Maybrit Illner" seien seit Anfang 2016 bei knapp 400 Gästen lediglich elf AfD-Vertreter eingeladen worden.

Auch ARD-Chefredakteur Rainald Becker wies die Kritik erneut zurück. "Es ist nicht an uns, eine Partei groß- oder kleinzumachen, sondern es geht darum, über einen Wahlkampf zu berichten", sagte Becker am Dienstagabend in den ARD-"Tagesthemen". Die AfD brauche die öffentlich-rechtlichen Medien nicht. Sie spielten für die Information der Anhänger der Partei eine eher untergeordnete Rolle, betonte Becker mit Verweis auf soziale Netzwerke.

Debatte im ZDF-Fersehrat

Bundespräsident Steinmeier forderte, Tabubrüche dürften sich nicht auszahlen. "Wer für jede neue Provokation eine neue Einladung in eine Talkshow erhält, fühlt sich zum Provozieren ermuntert", sagte Steinmeier "Zeit" und "Zeit Online" (Mitwoch), ohne die AfD namentlich zu nennen.

Die AfD-Berichterstattung soll offenbar auch im ZDF-Fernsehrat angesprochen werden. "Wir werden über diese Frage bestimmt im nächsten Fernsehrat diskutieren", sagte Franz Josef Jung (CDU), ehemaliger Verteidigungsminister und Mitglied im Fernsehrat, der "Heilbronner Stimme" (Mittwoch). Das Gremium tagt am Freitag.

Politiker hatten ARD und ZDF vorgeworfen, der AfD zu viel Sendezeit eingeräumt zu haben. Die Sender hätten so zum guten Wahlergebnis der Partei beigetragen. Der CSU-Spitzenkandidat Joachim Herrmann sagte am Sonntagabend in der "Berliner Runde" von ARD und ZDF, es werde zu diskutieren sein, "in welchem Ausmaß die öffentlich-rechtlichen Sender in den letzten Wochen massiv dazu beigetragen haben, in der Tat nicht die AfD kleinzumachen, sondern großzumachen, in einer Art und Weise der Diskussion, die völlig fehl am Platz ist.

Wissenschaftler sieht Ablenkungsmanöver der Parteien

Mit ihrer Kritik an ARD und ZDF versuchten die Politiker "letztlich auch von tiefergehenden Ursachen und zum Teil eigenen Problemen abzulenken", sagte der Münchner Kommunikationswissenschaftler Carsten Reinemann dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Alternative, dass die öffentlich-rechtlichen Sender weniger über die AfD hätten berichten können, sehe er nicht. "Hätten die öffentlich-rechtlichen Medien nicht über die AfD berichtet, sie sogar nicht zu Talkshows eingeladen, dann hätte sich die AfD in eine Opferrolle flüchten können", sagte Reinemann, der an der Ludwig-Maximilians-Universität in München lehrt. Es sei außerdem nicht die Aufgabe der Medien, eine Partei "kleinzuhalten". Stattdessen sollten sie Kritik üben und anprangern.

Die AfD zieht mit 12,6 Prozent der Stimmen, die sie bei der Bundestagswahl erhalten hat, als drittstärkste Kraft ins Parlament ein. In Sachsen wurde die rechte Partei sogar knapp vor der CDU stärkste Kraft.

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