Medien dürfen das Gesicht eines Angeklagten in einem Mordprozess nicht unter allen Umständen zeigen, selbst wenn dieser bereits gestanden hat.
21.09.2017

Das geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichthofs für Menschenrechte (EGMR) vom Donnerstag zu einem Fall aus Deutschland hervor, in dem der Medienkonzern Axel Springer und der Sender RTL unterlagen. Der deutsche Vorsitzende Richter, der das Verbot der Bilder in dem Prozess 2011 angeordnet hatte, habe das öffentliche Interesse und die Persönlichkeitsrechte des jungen Mannes korrekt abgewogen, erklärten die Richter des EGMR in Straßburg einstimmig. (AZ: 51405/12)

Der Mann war in Potsdam des Mordes an seinen Eltern angeklagt und wurde deswegen später auch verurteilt. Bei der Polizei und zum Prozessauftakt gestand er die Tat. Dessen ungeachtet verfügte der Richter, dass Bilder seines Gesichts nur unkenntlich gemacht in Presse und Rundfunk verbreitet werden dürften. Medien, die sich dazu nicht im Vorhinein verpflichteten, wurde das Filmen und Fotografieren verboten.

Um Schutz vor Berichterstattung gebeten

Grundsätzlich waren Bilder vom Prozess zwar weiter erlaubt. Springer und RTL wollten sich mit der Verpixelungspflicht aber nicht abfinden und gingen zunächst in Deutschland und später beim EGMR gegen die Verfügung vor, wo sie sich auf die Meinungsfreiheit beriefen. Die Medienkonzerne machten insbesondere geltend, dass der Angeklagte ja schon zum Prozessauftakt ein Geständnis abgelegt habe.

Der damalige deutsche Richter und nun die Richter des EGMR beurteilten die Lage anders. Der EGMR betonte insbesondere, dass das öffentliche Interesse an dem Prozess vergleichsweise gering und der Mann keine "öffentliche Person" gewesen seien. Bilder von ihm hätten darüber hinaus die Diskussion um den Fall nicht bedeutsam vorangebracht. Der Mann selbst habe sich nie öffentlich geäußert und ausdrücklich um Schutz vor Berichterstattung gebeten.

Die Geständnisse veränderten die Situation nach Auffassung des Gerichts nicht wesentlich. Zum einen gelte jeder Angeklagte grundsätzlich bis zum Urteil als unschuldig. Darüber hinaus war im konkreten Fall das Geständnis wegen einer schizoiden Persönlichkeitsstörung des Mannes besonders gründlich zu untersuchten, erklärte der EGMR.

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