Der katholische Theologe Eugen Drewermann hat den Mut und die angestoßenen kirchlichen Neuerungen des Reformators Martin Luther gewürdigt.
15.09.2017

Der Augustinermönch hat sich nach Auffassung von Eugen Drewermann allein von seinem Gewissen leiten lassen, als er 1517 die 95 Thesen formulierte und vier Jahre später auf dem Reichstag von Worms auftrat. Weiter sagte der katholische Theologe am Donnerstagabend in Dortmund, Luther habe die feste Überzeugung gehabt, dass die Kirche einen Neuanfang brauche. Eine geplante Strategie, wie ein solcher Prozess aussehen könne, habe er jedoch nicht vor Augen gehabt, sondern sei in erster Linie seiner eigenen Überzeugung gefolgt.

Kernbotschaft neu belebt

Luther habe die christliche Kernbotschaft wieder neu belebt, die auf Vergebung und Vertrauen setze, sagte Drewermann bei einer Veranstaltung in der Dortmunder Pauluskirche. Ein Freikaufen vom Sünden, wie es damals um sich gegriffen habe, und Menschen unter Druck gesetzt habe, sei nach Luthers Verständnis nicht im Sinne der Bibel gewesen, erklärte der Theologe, dem die katholische Kirche vor über 25 Jahren erst die Lehrerlaubnis entzog, und ihn später auch als Priester suspendierte.

Zugleich habe Luthers gesamte Botschaft sehr viel Versöhnliches, erklärte der Theologe, Autor und Psychoanalytiker. Wenn er den Menschen in den Mittelpunkt gerückt habe, dann gebe es keinen Anlass für einen Kampf der Religionen oder Konfessionen gegeneinander. Stattdessen gehe es um einen gemeinsamen Glauben.

Auch von Schuldgefühlen geplagt

Mit der Übersetzung der heiligen Schrift ins Deutsche habe der Reformator Maßstäbe gesetzt und es auch verstanden, Sprache und Wortwahl der Bevölkerung zu treffen, sagte Drewermann weiter. Luther habe die besondere Kunst beherrscht, mit griffigen Wörtern das Anliegen des Neuen Testaments zu beschreiben. Dazu gehöre vor allem das Ansinnen Jesu, die Menschen mit ihren Sorgen und Nöten zu verstehen. Der Reformator habe, was für die damalige Zeit bemerkenswert gewesen sei, den Menschen als Person begriffen. Er habe verstanden, dass jeder seine eigene Biografie und damit auch individuell geprägte Gefühle und Empfindungen habe.

Die Bilder, die Luther in Worms als starken, unerschütterlichen und mutigen Mann darstellen, müsse man jedoch kritisch betrachten, erklärte Drewermann. In Wirklichkeit hätten ihn durchaus Schuldgefühle und auch Zwänge geplagt, als er sich gegen die Amtskirche gestellt habe. Doch Luthers Verständnis von Glauben habe nicht zu dem Gebaren der Funktionsträger gepasst, erläuterte der Kirchenkritiker, der im Jahr 2005 aus römisch-katholischen Kirche austrat.

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