Immer häufiger belasten Lebenskrisen und psychische Krankheiten Mitarbeiter. Das wirkt sich auf die Unternehmen aus. Die AOK appelliert vor allem an kleine Betriebe, Führungskräfte zu schulen und betroffene Mitarbeiter langfristig zu unterstützen.
14.09.2017

Ob psychische Krankheiten oder Lebenskrisen: Die Zahl der Krankschreibungen durch psychische Belastungen steigt rasant an. Einer neuen Umfrage zufolge, die die AOK am Donnerstag in Berlin vorstellte, erfuhr bereits jeder zweite Beschäftigte ein kritisches Lebensereignis. Über die Hälfte von ihnen (53,4 Prozent) fühlten sich dadurch in der beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt, ein Drittel (34,1 Prozent) meldete sich häufiger krank. Auch die Zahl der Fehltage durch psychische Krankheiten wächst kontinuierlich.

In den vergangenen zehn Jahren stieg sie den Angaben zufolge um 79,3 Prozent, jede Krankschreibung bei einer psychischen Krankheit dauerte im Schnitt 25,7 Tage, Beschäftige mit anderen Krankheiten erhielten im Schnitt für 11,7 Tage ein Attest. AOK-Vorstandschef Martin Litsch betonte, vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sollten vor allem kleine Unternehmen alles tun, um Mitarbeiter bei psychischen Belastungen zu unterstützen.

Ältere stärker betroffen

Für den "Fehlzeiten-Report 2017" befragte das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) 2.000 gesetzlich versicherte Beschäftigte mehrerer Kassen zwischen 16 und 65 Jahren. Der Krankenstand blieb demnach 2016 mit 5,3 Prozent auf dem Niveau des Vorjahres.

Gestiegen allerdings ist vor allem bei älteren Arbeitnehmern der Anteil jener, die in den vergangenen fünf Jahren eine Lebenskrise erfahren haben. Während bei den unter 30-Jährigen mehr als ein Drittel (37,6 Prozent) von einem kritischen Lebensereignis berichteten, waren es bei den 50- bis 65-Jährigen fast zwei Drittel (64,7 Prozent). Als schlimmstes Ereignis nannten die Befragten schwere Krankheiten bei Angehörigen, private Konflikte und Trennungen. Der Tod eines Partners oder Familienangehörigen belasteten vor allem Befragte zwischen 50 und 65 Jahren.

Unterstützung in Firmen

In großen Betrieben finden die Betroffenen laut AOK bereits heute Unterstützung: 63,5 Prozent von ihnen sprachen mit Arbeitskollegen und 45,8 Prozent mit unmittelbar Vorgesetzten über ihre Krise. Fast jeder zweite (19,6 Prozent) konnte flexible Arbeitszeiten oder Teilzeitarbeit in Anspruch nehmen, 12,1 Prozent erhielten unbezahlten Urlaub und 12 Prozent professionelle Hilfe.

Schröder unterstrich, angesichts des prognostizierten Fachkräftemangels und einer aufgrund des demografischen Wandels älter werdenden Belegschaft müssten sich Unternehmen auf häufigere Krisen bei Mitarbeitern einstellen. Das lohne sich aber, denn eine gute Betreuung erhöhe die Bindung der Angestellten an den Betrieb. Nachholbedarf sieht Schröder bei kleinen Unternehmen. Diese müssten Führungskräfte schulen, damit sie Betroffene besser unterstützen könnten.

Vorsorge wichtig

AOK-Chef Litsch verwies zugleich auf die Bedeutung der Vorsorge, um Menschen vor Krisen zu schützen. Daran müssten sich aber auch die Kommunen beteiligen. Die Krankenkassen allein könnten diese Aufgabe nicht bewältigen, sagte er. Scharfe Kritik übte Litsch daran, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Versichertengelder für ihre Aufgaben erhält. 2017 belief sich die Summe laut Litsch auf 32 Millionen Euro. "Die gesetzliche Krankenversicherung ist kein Selbstbedienungsladen", sagte er. Die Gelder der Versicherten dürften nicht zweckentfremdet werden.

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach forderte eine Stärkung des staatlichen Arbeitsschutzes für psychische Gesundheit. "Viele Erkrankungen wären vermeidbar, wenn die Unternehmen endlich auf die alarmierenden Zahlen reagieren", sagte sie. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckhardt bezeichnet den wachsenden Arbeitsausfall bei psychischen Krankheiten als "erschreckend und alarmierend". Sie forderte unter anderem mehr Mitspracherecht für Arbeitnehmer bei der Arbeitszeit sowie flexiblere Arbeitszeiten.

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