Nach der Haftverlängerung für fünf Mitarbeiter der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" steht die türkische Justiz erneut in der Kritik. In einem gemeinsamen Appell forderten OSZE und UN die Türkei auf, die Pressefreiheit wiederherzustellen.
12.09.2017

Die Haftverlängerung für fünf Mitarbeiter der regierungskritischen türkischen Tageszeitung "Cumhuriyet" hat international für Empörung gesorgt. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sowie die Vereinten Nationen (UN) forderten in einer gemeinsamen Erklärung am Dienstag die Wiederherstellung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei.

Appell von UN und OSZE

"Wir haben die Türkei mehrfach gedrängt, die Anklage gegen die "Cumhuriyet"-Journalisten und weitere Mitarbeiter fallenzulassen. Sie müssen sofort freigelassen werden, zusammen mit allen Journalisten, die in dem Land im Gefängnis sind", teilten der Franzose Harlem Désir, OSZE-Beauftragter für Medienfreiheit, und David Kaye, Sonderbeauftragter der UN für die Meinungsfreiheit mit.

Im "Cumhuriyet"-Prozess entschied das Gericht am späten Montagabend im Gefängniskomplex Silivri nahe Istanbul, dass die fünf Angeklagten festgehalten werden sollen bis neue Beweise vorliegen. Der Prozess wird am 25. September fortgesetzt. Wie das deutsch-türkische Internetportal "taz.gazete" berichtete, begründeten die Richter ihre Entscheidung damit, dass die Gefahr, dass Beweise vernichtet würden, zu groß sei. Zudem wolle das Gericht drei weitere Zeugen, die nicht erschienen waren, anhören.

Es drohen bis zu 40 Jahre Haft

Den 20 Angeklagten drohen bis zu 40 Jahren Haft wegen angeblicher Unterstützung von Terrorgruppen. Den 17 Journalisten und weiteren Mitarbeitern der Tageszeitung wird unter anderem vorgeworfen, die Bewegung des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen und die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu unterstützen. Zu Beginn des Prozesses im Juli hatten die Beschuldigten die Vorwürfe bereits zurückgewiesen. Angeklagt ist auch der inzwischen in Deutschland lebende ehemalige "Cumhuriyet"-Chefredakteur Can Dündar.

Kritik am Prozess kam auch von "Reporter ohne Grenzen" (ROG). "Der Prozess gegen die Mitarbeiter der regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet ist eine Farce. Wenn Journalisten wie Terroristen behandelt und unschuldig eingesperrt werden, wer soll dann noch über die Willkürjustiz und die Repressalien gegen unabhängige Medien in der Türkei berichten", sagte Geschäftsführer Christian Mihr. Der Prozess wird unter anderem von ROG beobachtet. Beim Kurznachrichtendienst Twitter kritisierte die Organisation am späten Montagabend die Entscheidung des Gerichts. Die Inhaftierten sollten sofort freigelassen werden und die Anklage fallengelassen werden, forderte die Journalistenorganisation.

Laut ROG ist "Cumhuriyet" eine der ältesten Zeitungen in der Türkei und eines der wenigen noch verbliebenen unabhängigen Medien im Land. In der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" steht die Türkei zurzeit auf Platz 155 von 180 Staaten, wobei sich die bereits kritische Lage seit dem Putschversuch und dem danach verhängten Ausnahmezustand drastisch verschlechtert habe. ROG berichtete unter Berufung auf die unabhängige türkische Medienplattform P24, derzeit säßen mehr als 170 Journalisten in türkischen Gefängnissen. Rund 130 Medien blieben geschlossen. Damit sei Türkei das Land mit den meisten inhaftierten Medienschaffenden weltweit.

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