SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz
epd-bild/Christos Dogas/European Union 2016 - European Parliament
Trotz der Debatte um ein Ende der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei glaubt SPD-Chef Martin Schulz weiter an das Flüchtlingsabkommen mit dem Land. Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki übt derweil scharfe Kritik an dem Pakt.
08.09.2017

Die Forderungen nach einem Ende der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei haben auch die Diskussion um das Flüchtlingsabkommen wieder angeheizt. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag), er glaube nicht, dass die Türkei aus Verärgerung über die Diskussion um den EU-Beitritt den Flüchtlingspakt mit der EU aufkündigen wird. Das sei eine leere Drohung von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Derweil kritisierte der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki das Abkommen als "Schande für Europa".

Schulz sagte, Erdogan könne ohne die Mittel aus Europa die zwei Millionen Flüchtlinge in der Türkei nicht mehr versorgen. Er könne auch nicht "alle Flüchtlinge auf Booten nach Europa schicken".

"Rote Linie überschritten"

Zugleich verteidigte Schulz seine Forderung, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen. Die Regierung in Ankara dürfe nicht den Eindruck bekommen, "dass man uns auf der Nase herumtanzen kann", sagte der SPD-Chef. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu habe ein klares Signal gesendet, dass die Türkei mit deutschen Staatsbürgern mache, was sie wolle. "Damit ist die rote Linie überschritten."

Einer neuen Umfrage zufolge sind 84 Prozent der Deutschen gegen eine Aufnahme der Türkei in die EU. Nur zwölf Prozent sprachen sich für einen mittel- bis langfristigen EU-Beitritt aus, wie eine am Donnerstagabend in Köln veröffentlichten ARD-Umfrage ergab. Dafür befragte das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap am Montag und Dienstag 1.003 wahlberechtigte Bürger.

Knapp neun von zehn Deutschen (88 Prozent) waren demnach der Meinung, Deutschland solle der türkischen Regierung entschiedener entgegentreten. Für wirtschaftliche Sanktionen sprachen sich 77 Prozent aus, 19 Prozent lehnten das ab. Zugleich loben 80 Prozent der Befragten, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) grundsätzlich Gesprächsbereitschaft gegenüber der Türkei signalisiert hat. 17 Prozent finden das nicht gut.

Krieg, Terror, Zerstörung

Derweil übte der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki scharfe Kritik am Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei. Es sei "eine Schande für Europa, dass wir mit einem solchen Land solche Abkommen schließen, damit wir hier augenscheinlich weiter in einer geschlossenen Gesellschaft unserem Wohlstand frönen können", sagte Woelki am Donnerstagabend auf einem Medienempfang in Köln. Er schäme sich als Christ "für manches, wofür Politiker gegenwärtig immer wieder einstehen und werben".

Woelki kritisierte auch die Pläne, Flüchtlinge in sogenannten Hotspots in Afrika festzuhalten und dort ihr Asylrecht zu prüfen. Es sei zynisch, Flüchtlinge in Hotspots unter unmenschlichen Bedingungen festzuhalten, um die Zahl von Migranten zu senken, sagte der Erzbischof. Asylbewerber kämen nach Europa, weil ihnen ihre Heimat genommen werde "aufgrund von Krieg, aufgrund von Terror, aufgrund von Zerstörung, aufgrund von fehlender wirtschaftlicher Perspektive". Woelki rief dazu auf, den Notleidenden Europa als neue Heimat offenzuhalten.

Das im März 2016 geschlossene Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei sieht vor, dass alle Bootsflüchtlinge, die über die Ägäis nach Europa kommen, in die Türkei zurückgeschickt werden. Im Gegenzug erhält die Regierung in Ankara Finanzhilfen, außerdem soll für jeden aus Griechenland zurückgeschickten Asylsuchenden ein syrischer Bürgerkriegsflüchtling in die EU geholt werden.

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