Erfurt (epd). Solch ein Eingriff in die Intimsphäre stelle eine sexuelle Belästigung und eine Entwürdigung dar, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil. Auf die Frage, inwieweit der Übergriff sexuell motiviert war, komme es für eine sexuelle Belästigung nicht an, erklärten die obersten Arbeitsrichter. (AZ: 2 AZR 302/16)
Gegen seine Kündigung hatte ein Stahlarbeiter aus dem Raum Bremen geklagt. Der Mann hatte im Oktober 2014 einem Leiharbeiter von hinten schmerzhaft an den Hoden gefasst und danach gesagt, dass dieser "dicke Eier" habe. Der malträtierte Kollege fühlte sich erniedrigt und beschwerte sich.
Der Arbeitgeber kündigte dem Stahlarbeiter fristlos, hilfsweise ordentlich. Der Beschäftigte habe den Fremdfirmenmitarbeiter sowohl körperlich als auch verbal sexuell belästigt, was nicht hinnehmbar sei. Der Leiharbeiter sei außerdem gedemütigt worden.
BAG: Kollege sollte erniedrigt werden
Das Landearbeitsgericht (LAG) Bremen hielt die Kündigung für unbegründet. Eine Abmahnung hätte ausgereicht. Um eine sexuelle Belästigung habe es sich nicht gehandelt, da das Verhalten nicht sexuell motiviert war. Er habe auch nicht mit Vorsatz gehandelt. Vielmehr sei der Griff in die Genitalien ein "situatives und unreflektiertes Verhalten" gewesen.
Das BAG urteilte, der absichtliche Griff an den Hoden stelle eine sexuelle Belästigung und einen Eingriff in die Intimsphäre dar. Es komme nicht darauf an, dass der Täter den Übergriff aus sexuellen Motiven ausüben oder sexuelle Lust dabei empfinden will. Der Kläger habe den Kollegen erniedrigen und seine Macht zeigen wollen.
Das LAG muss nun den Fall nun neu bewerten und über die Wirksamkeit der Kündigung entscheiden.
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