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epd-bild/Jürgen Blume
Konflikt ist in einer Demokratie keine Krise, sondern Normalität. So steht es in einem neuen Papier der evangelischen Kirche. Sie fordert zu mehr Lust am konstruktiven Streit auf - und will sich dabei offenbar selbst auch mehr in die Pflicht nehmen.
21.08.2017

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) fordert zu mehr Beteiligung an der demokratischen Auseinandersetzung in Deutschland auf. Verglichen mit anderen Ländern sei die Demokratie in der Bundesrepublik nach wie vor in hohem Maß konsensorientiert und stabil, schreibt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, in einem Vorwort für das 32-seitige Papier mit dem Titel "Konsens und Konflikt: Politik braucht Auseinandersetzung", das am Montag bei einer Tagung in Berlin vorgestellt werden sollte. Dennoch sei die Gesellschaft nicht mehr so homogen wie früher.

Fragen des Miteinanders

Bedford-Strohm verweist auf Populismus, der in der Parteienlandschaft und in der Gesellschaft zugenommen habe. Stärker als früher müsse man sich darauf einstellen, dass manche Konflikte bleibend sein werden. "Umso mehr stellt sich für alle gesellschaftlichen Kräfte die Aufgabe, am Zusammenhalt der Gesellschaft mitzuwirken", fordert der bayerische Landesbischof.

Der Rat der EKD hatte deren Kammer für Öffentliche Verantwortung damit beauftragt, Gedanken zum Umgang mit Rechtspopulisten zu entwickeln. Im Ergebnis beschäftigt sich das entstandene Papier aber mit grundlegenden Fragen des Miteinanders in der Demokratie. Aufgestellt werden zehn Impulse, unter anderem zur Streitkultur, zum Umgang mit Konflikten und der Rolle der Kirchen im demokratischen Dialog.

Insgesamt ermutigt das Papier zum Wettstreit der Positionen: Konflikt stelle nicht bereits eine Krise, sondern eher den Normalfall der Demokratie dar. "Unsere Gesellschaft krankt daran, dass sie Konflikte gerade auch im politischen Bereich sofort furchtbar und abstoßend findet", sagte der Kammervorsitzende Reiner Anselm dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Münchener Theologieprofessor beklagte auch mangelnden Streit im Bundestagswahlkampf.

Dialog auch mit der AfD

Die Grenzen der Auseinandersetzung sieht die Kammer dort, wo die Grenze vom Populismus zum Extremismus überschritten wird. Mit denen, die das demokratische System angreifen, gelte es nicht den Dialog zu suchen, sondern ihnen entgegenzutreten. Die AfD, mit der die Kirchen derzeit noch nach einem praktikablen Umgang suchen, wird in dem Papier nicht konkret genannt.

Anselm plädierte für eine "deutliche Öffnung" zum Dialog auch mit der AfD. Gewaltbefürwortende Rechtsextreme wie in der NPD sehe er in der Partei nicht. Deswegen müsse die Auseinandersetzung geführt werden. Er warnte aber auch, die Kirchen müssten sich für die Diskussion "wärmer anziehen" und unangenehmen Themen nicht ausweichen, wie etwa bei einer Grenzziehung beim Thema Migration. In dem Papier heißt es dazu, die Grenzen zwischen Recht und Moral dürften nicht verwischt werden.

Die Kirche selbst wird in dem Papier als Ort der demokratischen Auseinandersetzung angesehen. Anselm forderte dazu auf, die Pluralität innerhalb der Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche dabei stärker sichtbar zu machen. Momentan gebe es einen "gewissen, durchaus auch oberflächlichen Mainstream-Protestantismus", sagte er. Das sei problematisch, weil es eine Beteiligung nach innen schwermache.

Dem Gremium, das das Papier erarbeitet hat, gehören unter anderem Theologen, Sozialwissenschaftler, Juristen und Politiker, darunter der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), und der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Brand, an.

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