Seenotrettung von Flüchtlingen durch Sea-Watch (Archivbild)
epd-bild/Christian Ditsch
Mehrere Hilfsorganisationen stellen aus Angst vor der libyschen Küstenwache ihre Rettungseinsätze im Mittelmeer ein. Viele befürchten nun, dass die Zahl der Toten im Meer steigt. Die Organisationen fordern Konsequenzen von der Bundesregierung.
15.08.2017

Nach dem Stopp mehrerer Rettungseinsätze von Hilfsorganisationen im Mittelmeer hat der Verein Sea-Watch die Bundesregierung dazu aufgefordert, die Kooperation mit Libyen im Kampf gegen Schlepper vorerst zu beenden. "Wir erwarten, dass die Bundesregierung ihre Unterstützung für die sogenannte libysche Küstenwache auf Eis legt, solange sie ihre Drohungen nicht zurückzieht", sagte Ruben Neugebauer, Sprecher von Sea-Watch, am Montag dem epd. Es sei ein "absoluter Skandal", dass Libyen Hilfsorganisationen unverhohlen bedrohen könne und trotzdem weiter von der Politik unterstützt werde, sagte Neugebauer. Auch die Organisation "Jugend rettet" kritisierte die Zusammenarbeit der EU mit der libyschen Küstenwache. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) erinnerte an die humanitäre Pflicht, Menschen aus Seenot zu retten.

Gewaltsam verhindern

Am Wochenende hatten "Ärzte ohne Grenzen", Sea-Eye und "Save the Children" ihre Rettungseinsätze für schiffbrüchige Flüchtlinge im Mittelmeer beendet. Libyen hatte zuvor eine Ausweitung seiner Hoheitsgewässer angekündigt und nach Angaben der Organisationen damit gedroht, Rettungseinsätze von Nichtregierungsorganisationen zur Not gewaltsam zu verhindern. Mit dem Stopp der Hilfseinsätze Freiwilliger im Mittelmeer befürchten viele mehr Tote.

Die Organisation Sea-Watch, die seit 2015 mit einem Schiff auf der Route der Flüchtlinge unterwegs ist, prüft laut Neugebauer derzeit, ob und wie sie ihre Rettungseinsätze weiterführt. Ihre Schiffe liegen derzeit unabhängig von der aktuellen Lage für Arbeiten im Hafen. Auch der Deutschlandchef von "Ärzte ohne Grenzen", Volker Westerbarkey, warf der libyschen Regierung in der "Welt" (Montag) vor, Seenotretter von Hilfsorganisationen massiv zu bedrohen.

Leben retten

EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos nahm in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag) private Seenotretter gegen den Vorwurf in Schutz, sie erleichterten den Schleppern das Geschäft. "Die Mehrheit der Nichtregierungsorganisationen hilft uns bei unseren Bemühungen, Leben zu retten", sagte er.

Eine EKD-Sprecherin forderte unterdessen, gegen menschenverachtende Schlepperbanden und mafiöse Strukturen innerhalb und außerhalb Europas mit polizeilichen Mitteln vorzugehen. Es sei eine humanitäre Pflicht, alles zu tun, um Menschen aus Seenot und vor anderen Gefahren zu retten. "Die wirksamsten Maßnahmen gegen die Gefahren auf der Flucht bestehen in legalen Zugangswegen für Schutzsuchende nach Europa", sagte sie dem epd. Die EKD habe in Aussicht gestellt, die Organisation Sea-Watch mit 100.000 Euro zu fördern. Die Frage nach Verhaltensregeln für die privaten Rettungsschiffe werde zur Zeit noch diskutiert.

Bundesregierung zurückhaltend

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie beschrieb die Lage der Hilfsorganisationen im Mittelmeer als "katastrophal". Die Situation werde jetzt militärisch entschieden und alle, die sich humanitär engagieren, fürchteten um die eigenen Mitarbeiter. Das sei eine Katastrophe, weil es zu einer Verschlechterung der Lage in den Flüchtlingslagern vor Ort führe. "Wir müssen eine europäische Lösung haben, um mehr Flüchtlinge aufzunehmen, das ist unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit", sagte Lilie am Montag in Berlin.

Die Bundesregierung reagierte am Montag zurückhaltend auf den Stopp der Hilfseinsätze. Man respektiere die Entscheidung, sagte ein Sprecher des Auswärtiges Amtes am Montag in Berlin. Man beobachte die Situation im Mittelmeer mit großer Aufmerksamkeit. Es gebe derzeit keine belastbaren Erkenntnisse darüber, dass die libysche Küstenwache anders agiere. Der Sprecher erläuterte, offiziell gebe es keine Ausdehnung der Hoheitsgewässer.

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