Sozialforscher Hurrelmann
epd-bild/Peter Himsel/Hertie School of Governance
Früher nahezu undenkbar, heute zunehmend Realität: Immer mehr junge Erwachsene verbringen den Urlaub am liebsten mit ihren Eltern, hat der Sozial- und Bildungsforscher Klaus Hurrelmann festgestellt.
11.08.2017

Hauptgrund sei dabei nicht das Geld, sagt der Professor für Public Health and Education an der Hertie School of Governance in Berlin in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Sondern, dass man so gerne zusammen ist und dass man voneinander profitiert."

Die Kinder verstünden es, wie man sich in einer fremden Stadt mit Internet und entsprechenden Apps gut organisiert, die Eltern profitierten von den Kontakten, erweiterten ihr soziales Netz. Eltern und Kinder würden als Generationengemeinschaft auftreten und empfänden dies beiderseits als Vorteil. Auch müssten sich die Eltern auf diese Weise nicht um ihre eigene Beziehung kümmern. Und die Jungen müssten sich nicht um ihre Beziehungen kümmern, weil die Eltern da sind, sagt Hurrelmann.

Für den Sozial- und Gesundheitsforscher und langjährigen Autor der Shell-Jugendstudie ist das gemeinsame Urlauben ein weiterer Beleg für einen grundsätzlichen Trend: Die frühere Kluft zwischen den Generationen ist heute nicht mehr vorhanden, besonders bei den heutigen Twens sei die sonst übliche Rebellion gegen die Eltern ausgeblieben.

Keine Konflikte mit den Eltern

Die Mitte 20- bis Anfang 30-Jährigen sähen keinen Anlass und keine Themen, wo sie sich mit den Eltern in einen Konflikt begeben sollten, sagt Hurrelmann. "Weil sie das Gefühl haben, sie werden nicht im Stich gelassen", sagt der Sozialwissenschaftler.

Die Eltern würden notfalls wirtschaftlich einspringen, wenn es nicht gut läuft, sie seien immer ansprechbar, man könne jederzeit wieder bei ihnen einziehen oder gar nicht erst ausziehen. "Und weil man sich so viel um sich selbst kümmern muss", sei auch das politische Interesse der Jungen allgemein geringer. "Deswegen ist die Rebellion gegen die Eltern ersatzlos ausgefallen", sagt Hurrelmann.

Diese Entwicklung äußert sich für Hurrelmann auch in der Art, wie die Twens von ihren Eltern sprechen. Auch gegenüber Dritten werde von "Mama" und "Papa" gesprochen und nicht von "Mutter" und "Vater". Diese sprachliche Anrede drücke aus, dass man in der Fürsorgebeziehung bleiben möchte und sich da auch wohlfühlt, so Hurrelmann. "Das hat sich so in den vergangenen 15 bis 20 Jahren eingeschlichen." "Meine Mutter" und "mein Vater" stelle dagegen eine Reflexionsform dar: "Ich trete einen Schritt zurück und mache damit deutlich, das ist eine andere Generation."

Zwei Zukunftsszenarien

Für die Zukunft dieser Generation sieht der Sozialforscher zwei Varianten: "Das harmlose Szenario wäre, wir stellen in zehn Jahren fest, das ist nur eine Verzögerung, der Lebenslauf ist länger, der Übergang in den Beruf dauert, man lässt sich Zeit mit einer Familiengründung." Die eigenen Kinder kommen nicht mit Ende 20, sondern erst mit Ende 30, "es hat sich alles nur verschoben".

Die pessimistische Variante wäre, die jungen Leute werden nicht selbstständig. "Wir haben dann eine Generation von sehr unselbstständigen und auch unsicheren Leuten, die voll angewiesen sind auf dauerhaftes Feedback und dauerhafte Streicheleinheiten von Mama und Papa." Wahrscheinlich werde es wie immer aber irgendwo dazwischen liegen, meint der Sozialwissenschaftler.

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