Sozialleistungen wie Hartz IV werden immer teurer.
epd-bild/Norbert Neetz
Trotz wirtschaftlichen Aufschwungs steigen die Sozialausgaben. Wohlfahrtsverbände sehen darin einen Beleg für die soziale Ungleichheit im Land.
02.08.2017

Im vergangenen Jahr hat Deutschland 918 Milliarden Euro für Sozialleistungen ausgegeben. Das geht aus dem Sozialbericht des Bundesarbeitsministeriums hervor, der am Mittwoch vom Kabinett gebilligt wurde. Demnach stiegen die Leistungen gegenüber 2015 um 3,7 Prozent. Das entspricht rund 33 Milliarden Euro. Sozialverbänden zufolge ist der Anstieg der Sozialausgaben unter anderem eine Folge prekärer Arbeitsverhältnisse.

Mehr als 80 Prozent der Sozialleistungen (etwa 720 Milliarden Euro) dienten laut Bericht zur Absicherung von Risiken, die mit Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Alter oder Tod verbunden sind. Die Sozialleistungsquote, also das Verhältnis der Leistungen zum Bruttoinlandsprodukt, liegt bei 29,3 Prozent. Im Vorjahr betrug sie 29,2 Prozent. Laut Prognose wird die Quote aufgrund von gesetzlichen Änderungen etwa bei der Kranken- und Pflegeversicherung 2017 vermutlich um 0,5 Prozentpunkte auf 29,8 Prozent steigen.

Kritik an Niedriglohnpolitik

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) bezeichnete die im Sozialbudget ausgewiesenen Leistungen als Investition in die Zukunft. "Soziale Sicherung und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bedingen sich gegenseitig", erklärte Nahles. "Ein moderner und gut ausgebauter Sozialstaat stabilisiert und stärkt die Beschäftigung, die Nachfrage und das Wirtschaftswachstum." Das sorge für den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft.

Nach den Worten des Präsidenten des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer, ist die Entwicklung der Sozialausgaben unter anderem auf die Niedriglohnpolitik zurückzuführen. "Immer mehr Menschen in Deutschland sind arm, obwohl sie arbeiten", teilte Bauer mit. Forderungen die Sozialabgaben zu begrenzen, erteilte er eine Absage. "Richtiger wäre es, anständige Löhne zu zahlen."

Höhere Löhne für soziale Berufe gefordert

Ähnlich äußerte sich der Bundesvorsitzende der AWO, Wolfgang Stadler. "Trotz der guten wirtschaftlichen Lage und Rekordbeschäftigung am Arbeitsmarkt muss Deutschland mittlerweile mehr als 900 Milliarden Euro an Sozialausgaben aufbringen", erklärte Stadler. Das zeige, welche Dimension die soziale Ungleichheit in Deutschland inzwischen erreicht habe. Er sprach sich unter anderem für höhere Löhne in sozialen Berufen aus. "Der Gesellschaft darf eine Stunde Reparatur am Pkw nicht erheblich mehr wert sein als eine Stunde Pflege für einen alten Menschen oder eine Stunde Bildung, Betreuung und Erziehung für Kinder." Soziale Dienstleistungen müssten neu bewertet werden.

Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sabine Zimmermann, warf der Bundesregierung Versagen bei der Armutsbekämpfung vor. "Die hohen Sozialausgaben belegen, dass sowohl die sozialen Sicherungssysteme als auch Arbeit in vielen Fällen nicht mehr existenzsichernd sind", erklärte Zimmermann. Sie forderte einen Kurswechsel in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik.

"Vom Aufschwung profitieren nicht alle"

Für den sozialpolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Wolfgang Strengmann-Kuhn, macht der Bericht deutlich, dass die Armutsgefährdungsquote ein historisch hohes Niveau erreicht hat. "Vom anhaltenden Aufschwung profitieren längst nicht alle", sagte Strengmann-Kuhn. Jedes fünfte Kind unter 18 sei von Armut bedroht, Alleinerziehende und Familien mit geringen Einkommen seien besonders gefährdet trotz Erwerbsarbeit.

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