Die Zahl der Neuinfektionen sinkt, ebenso wie die Zahl der Menschen, die an den Folgen von Aids sterben. Immer mehr HIV-Positive weltweit erhalten Medikamente. Zugleich warnen Experten vor einer neuen Sorglosigkeit.
20.07.2017

Die Vereinten Nationen vermelden Fortschritte im Kampf gegen die tödliche Immunschwäche Aids. Erstmals sind mehr als die Hälfte der HIV-Infizierten weltweit in Behandlung, wie das UN-Aidsprogramm (UNAIDS) am Donnerstag in Paris erklärte. Von den 36,7 Millionen Infizierten 2016 erhielten 19,5 Millionen Männer, Frauen und Kinder lebensverlängernde Medikamente. Die Zahl der Aids-Todesfälle hat sich nach dem vorgelegten UN-Aids-Bericht von 1,9 Millionen im Jahr 2005 auf etwa eine Million im Jahr 2016 fast halbiert.

Größte Fortschritte in Afrika

UNAIDS-Direktor Michel Sidibé zeigte sich zuversichtlich, dass bis 2020 das Ziel erreicht wird, 30 Millionen HIV-Infizierten Zugang zu den nötigen Medikamenten zu ermöglichen. "Wir werden weiter aufstocken, um jeden Bedürftigen zu erreichen und unser Versprechen zu erfüllen, dass wir niemanden zurücklassen", betonte er. Auch die Neuinfektionen gingen zurück, allerdings laut Sidibé nicht schnell genug: 2016 wurden 1,8 Millionen Neuansteckungen erfasst, 16 Prozent weniger als 2010. Ein alarmierender Anstieg wurde jedoch in Osteuropa und Zentralasien registriert.

Die größten Fortschritte sehen die UN-Experten im östlichen und südlichen Afrika, wo fast zwei Drittel der HIV-Infizierten leben: Die Zahl der Sterbefälle infolge von Aids fiel dort von 2010 bis 2016 um 42 Prozent, die Neuinfektionen gingen um 29 Prozent zurück. Als Resultat habe sich die Lebenserwartung in Afrika im vergangenen Jahrzehnt um etwa zehn Jahre erhöht, heißt es in dem Bericht. Der Report wurde mit Blick auf die HIV-Wissenschaftskonferenz veröffentlicht, die von 23. bis 26. Juli in Paris stattfindet.

Mädchen und junge Frauen besonders gefährdet

Dennoch seien die Unterschiede in Afrika groß, sagte die Direktorin des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission (Difäm), Gisela Schneider, dem Evangelischen Pressedienst (epd). So sei die Strategie Südafrikas eine Erfolgsgeschichte, während beispielsweise der Kongo noch große Anstrengungen unternehmen müsse. Gleichzeitig führten die gute medikamentöse Versorgung und die sinkenden Ansteckungszahlen zu neuen Problemen: "HIV zu bekommen, schreckt nicht mehr ab", sagte Schneider. Es mache sich eine gewisse Sorglosigkeit den Risiken gegenüber breit. So sei es viel schwerer geworden, Menschen zur Nutzung von Kondomen zu überzeugen.

Als besonders positiv hob die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung den weltweiten Rückgang der Neuinfektionen bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren hervor. In dieser Altersgruppe halbierte sich die Zahl der Ansteckungen zwischen 2010 und 2016 nahezu von 300.000 auf 160.000. "Es freut mich sehr zu sehen, dass es Fortschritte bei der Eindämmung der Epidemie gibt", sagte die Geschäftsführerin der Stiftung, Renate Bähr.

Aber die Vorbeugung müsse ausgeweitet werden. Immer noch infizierten sich laut UNAIDS jeden Tag 5.000 Menschen mit HIV, von denen jeder Dritte zwischen 15 und 24 Jahre alt ist. Mädchen und junge Frauen seien besonders gefährdet, vor allem in Afrika südlich der Sahara. Bähr forderte zusätzliche Investitionen in umfassende Sexualaufklärung. Leider stagnierten die dafür vorgesehenen Mittel oder gingen sogar zurück.