Die Inhaftierung von Journalisten und Menschenrechtlern in der Türkei löst Proteste aus
epd-bild/Rolf Zoellner
Die Bundesregierung dringt weiter auf die Freilassung des deutschen Menschenrechtlers Peter Steudtner aus türkischer Haft. Der türkische Botschafter wurde ins Auswärtige Amt zitiert. Außenminister Gabriel unterbricht seinen Urlaub.
19.07.2017

Die Bundesregierung schlägt gegenüber der türkischen Regierung einen schärferen Ton an und bekräftigt ihre Forderung nach einer Freilassung des deutschen Menschenrechtlers Peter Steudtner aus der Untersuchungshaft. Der türkische Botschafter wurde am Mittwoch ins Auswärtige Amt zitiert.

Außenamtssprecher Martin Schäfer sagte anschließend, man habe der türkischen Regierung die Empörung der Bundesregierung unmissverständlich und "ohne diplomatische Floskeln" übermittelt. Sie fordere die unverzügliche Freilassung Steudtners. Der türkische Botschafter und die Regierung in Ankara wüssten nun, "dass es uns ernst ist", sagte Schäfer.

Terrorvorwürfe abwegig

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) unterbricht seinen Urlaub, um am Donnerstag in Berlin darüber zu beraten, was "angesichts der dramatischen Verschärfung des türkischen Vorgehens" zu tun sei, sagte Schäfer. Er bezeichnete die Terrorismus-Vorwürfe gegen Steudtner und die anderen Menschenrechtler als "abwegig". Wer als Deutscher in die Türkei reise, dürfe nicht in die Gefahr geraten, wegen "an den Haaren herbeigezogener Terrorismus-Vorwürfe" inhaftiert zu werden.

Regierungssprecher Steffen Seibert sprach von einer ernsten Situation im deutsch-türkischen Verhältnis und bekräftigte die Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach der Freilassung der Menschenrechtler. Neben Steudtner befinden sich fünf weitere Menschrechtler in Haft, darunter auch die Direktorin von Amnesty International Türkei, Idil Eser, und ein schwedischer Kollege Steudtners.

Die türkische Polizei hatte am 5. Juli zehn Aktivisten auf einer Insel vor Istanbul bei einem Amnesty-Workshop festgenommen. Vier von ihnen wurden am Dienstag gegen Kaution freigelassen. In der Türkei können Beschuldigte bis zu fünf Jahre lang in Untersuchungshaft festgehalten werden.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) verurteilte die Verhaftung Steudtners als weiteren willkürlichen Akt der türkischen Justiz. Der Menschenrechtler und alle, die sich ungerechtfertigt in türkischen Gefängnissen befinden, müssten freigelassen werden. Es sei unerträglich, dass Menschen in der Türkei trotz Einhaltung der Gesetze jederzeit mit einer Verhaftung rechnen müssten.

Auch der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, setzte sich in einem Brief an den türkischen Botschafter für die sofortige Freilassung Steudtners ein. Es sei "gänzlich unvorstellbar", betonte Dröge, dass Steudtner irgendeiner Form von Terrorismus Vorschub leiste. Er habe sich über Jahre für Gewaltfreiheit in der Konfliktbearbeitung eingesetzt und werde dafür in kirchlichen wie säkularen Kreisen geschätzt.

Verfassungsbeschwerde wegen Inhaftierung Yücels

Unterdessen legte das Unternehmen WeltN24 GmbH wegen der Inhaftierung des Journalisten Deniz Yücel Verfassungsbeschwerde in der Türkei ein. Die Beschwerde richte sich auch gegen die damit einhergehende Verletzung der Pressefreiheit, berichtete die Tageszeitung "Die Welt" (Mittwoch), deren Mitarbeiter Yücel ist. Der deutsch-türkische Journalist war Mitte Februar in Polizeigewahrsam genommen worden, nachdem er sich selbst den Behörden gestellt hatte und befindet sich seit Ende Februar in Untersuchungshaft. Die Justizbehörden werfen ihm "Terrorpropaganda" und "Aufwiegelung der Bevölkerung" vor.

Nach Angaben des Auswärtigen Amts sind seit dem Putsch vor gut einem Jahr 22 Deutsche verhaftet worden. Neun sind noch in Haft, darunter auch die Journalistin Mesale Tolu. Vier haben die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft.

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