Ausschreitungen während des G20-Gipfels
epd-bild/Peter Juelich
Nach Ansicht des Digitalberaters Christian Henne haben soziale Netzwerke massiv zur Eskalation der Anti-G20-Proteste beigetragen.
12.07.2017

"Da wurden über die sozialen Netzwerke Bilder geteilt, die eine so große kommunikative Wucht entfaltet haben, die man sich ohne die Wirkweise sozialer Medien nicht vorstellen kann", sagte Henne dem epd. Tausendfach wurden Live-Streams und Videos geteilt, so dass eine unheimliche Reichweite entstanden sei. "Die Bilder von den Krawallen wirkten wie Beschleuniger: Erst dadurch erfuhren die Aktionen eine so große nationale und internationale Reichweite", sagte Henne, der die Polizei in Krisenkommunikation auf sozialen Netzwerken berät.

"Globale Bedeutung"

Die gewalttätigen Aktionen der G20-Gegner hätten so eine Eigendynamik bekommen: Die Organisatoren von der "Welcome to hell"-Demonstrationen hätten damit ihre Ankündigung, sich G20 zu widersetzen, erfüllt - nicht nur auf der Straße, sondern auch im Internet. "Dass Gegenproteste so eine globale Bedeutung erlangten, ist vollkommen neu", sagte Henne.

Journalisten seien Teil gewesen dieser reichweitenstarken und ungefilterten Bilder-Produktion für soziale Netzwerke. Nur Live-Bilder brächten Klicks, fügte Henne hinzu. Weil heutzutage jeder ein Video in Echtzeit streamen könne, sei es irgendwann für die Polizei schwierig gewesen, zu unterscheiden, wer Aktivist, Gaffer oder Medienvertreter sei.

Gemeinsame Linie

Mehrfach habe die Polizei getwittert, dass Bilder von Einsatzlagen nicht veröffentlicht werden sollten, sagte Henne. "Wenn Journalisten in solchen Gefahrenlagen mit Live-Material operieren, kommunizieren sie ganz klar gegen Sicherheitsbehörden und -überlegungen." Dabei entstehe ein Interessenkonflikt zwischen Polizei und Medien. "Wenn die Polizei Leute schützen muss, womöglich auch Journalisten, dann beschneidet das auch den Wirkungskreis der Medienvertreter", betonte Henne.

Live-Videos hätten erstmals ihren Bedrohungscharakter für Ausnahmesituationen wie zum Beispiel Krawalle gezeigt. "Ganz viele Gruppen werden sich Nachahmungsstrategien überlegen - denken wir nur an die jährlichen 1.-Mai-Ausschreitungen in Berlin", sagte Henne. Deshalb müssten sich Medien, Sicherheitsbehörden und Politik eine gemeinsame Linie überlegen. "Wir brauche einen Verhaltenskodex, damit Medien nicht unbeabsichtigt für gewalttätige Ausschreitungen mobilisieren", forderte der Kommunikationsexperte.

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