"Glücklich, verwirrt" zeigt sich Wagner kurz nach Bekanntwerden der Ehrung: Mit dem Georg-Büchner-Preis erhält der in Berlin lebende Dichter den wichtigsten Literaturpreis des Landes.
20.06.2017

Der Lyriker Jan Wagner (45) erhält den Georg-Büchner-Preis 2016. "Seine Gedichte verbinden spielerische Sprachfreude und meisterhafte Formbeherrschung, musikalische Sinnlichkeit und intellektuelle Prägnanz", teilte die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung am Dienstag in Darmstadt mit. Der mit 50.000 Euro dotierte Büchner-Preis gilt als renommierteste Literaturauszeichnung in Deutschland. Er wird am 28. Oktober in Darmstadt verliehen. Der Autor zeigte sich "glücklich, verwirrt und sehr froh" über die unerwartete Ehrung.

"Aus neugierigen, sensiblen Erkundungen des Kleinen und Einzelnen, mit einem Gespür für untergründige Zusammenhänge und mit einer unerschöpflichen Fantasie lassen Wagners Gedichte Augenblicke entstehen, in denen sich die Welt zeigt, als sähe man sie zum ersten Mal", lobte die Jury.

"Kindliche Freude am Klang"

Wagner zeigte sich am Dienstag in Berlin überrascht von der Würdigung. Das Wort "spielerisch" in der Begründung der Preis-Jury "ist etwas, das ich sehr gut mit meinen Gedichten verbinden kann", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd) in einer ersten Reaktion. Spiel und kindliche Freude am Klang seien wichtig für die Lyrik. Das Gedicht solle kein Rätsel sein, sondern zu einem spielerischen Umgang mit Sprache und Welt anregen. Ein neuer Lyrikband von ihm ist nach eigenen Angaben nicht vor dem Herbst des kommenden Jahres zu erwarten.

Der in Hamburg geborene Jan Wagner wuchs im schleswig-holsteinischen Ahrensburg auf und lebt seit 1995 in Berlin. Er studierte Anglistik in Hamburg, Dublin und an der Humboldt-Universität Berlin. Sein Werk umfasst Gedichtbände, Essays und Kritiken, Anthologien sowie Übersetzungen englischsprachiger Lyrik und ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden.

"Probebohrung im Himmel"

Wagners lyrisches Debüt "Probebohrung im Himmel" erschien 2001. Es folgten die Gedichtbände "Guerickes Sperling" (2004), "Achtzehn Pasteten" (2007), "Australien" (2010) und "Die Eulenhasser in den Hallenhäusern" (2012). Im Jahr 2014 veröffentlichte er die "Regentonnenvariationen", für die er den Leipziger Buchpreis erhielt. Im vergangenen Jahr erschien "Selbstporträt mit Bienenschwarm. Ausgewählte Gedichte 2001-2015".

Neben den Gedichtbänden veröffentlichte Wagner in diesem Frühjahr die Prosasammlung "Der verschlossene Raum", zuvor 2011 "Die Sandale des Propheten". Außerdem hat er als Herausgeber gemeinsam mit Thomas Girst von 1995 bis 2003 die Loseblatt-Anthologie zur zeitgenössischen Weltpoesie "Die Außenseite des Elements" herausgegeben, 2003 und 2008 folgten umfassende Sammlungen junger deutschsprachiger Lyrik zusammen mit Björn Kuhligk ("Lyrik von Jetzt. 74 Stimmen" und "Lyrik von Jetzt zwei").

Max Frisch und Günter Grass

Der Büchner-Preis ist nach dem in Darmstadt aufgewachsenen Schriftsteller, Naturwissenschaftler und Freiheitskämpfer Georg Büchner (1813-1837) benannt. Er wurde erstmals 1923 vergeben, zunächst nur an Künstler, die aus der hessischen Heimat des Dichters und Sozialrevolutionärs stammten oder ihr verbunden waren. In der Nazi-Zeit wurde der Preis nicht verliehen und 1951 in einen allgemeinen Literaturpreis umgewandelt. Preisträger waren unter anderen Carl Zuckmayer (1929), Anna Seghers (1947), Max Frisch (1958), Günter Grass (1965), Peter Handke (1973), Erich Fried (1987), Sarah Kirsch (1996), Wilhelm Genazino (2004) und zuletzt Marcel Beyer (2016). Das Preisgeld wird aufgebracht von der Bundeskulturbeauftragten, dem hessischen Kunstministerium und der Stadt Darmstadt.