Flüchtlinge vor der libyschen Küste.
epd-bild/Christian Ditsch
Mehr als 65 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Besonders die Lage der über 40 Millionen Flüchtlinge, die innerhalb des eigenen Landes vertrieben wurden, hat sich laut "Ärzte ohne Grenzen" verschlimmert.
14.06.2017

Die deutsche Sektion der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" hat im vergangenen Jahr einen Spendenrekord erzielt. 2016 seien insgesamt 132,8 Millionen Euro an privaten Spenden und Zuwendungen eingegangen, so viel wie nie zuvor, sagte der Geschäftsführer von "Ärzte ohne Grenzen" Deutschland, Florian Westphal, am Mittwoch in Berlin. Im Vergleich zum Vorjahr sei dies ein Anstieg um 14 Prozent.

Keine Fördergelder der EU

Aus Protest gegen die "Abschottungspolitik Europas" hatte die Hilfsorganisation 2016 beschlossen, keine Fördergelder der EU und ihrer Mitgliedstaaten mehr anzunehmen. Für die deutsche Sektion von "Ärzte ohne Grenzen" bedeutete dies ein Verzicht auf Zuwendungen durch das Auswärtige Amt in Höhe von vier Millionen Euro. Dies schlage sich zwar noch nicht in der Bilanz für 2016 nieder, betonte Westphal. Dennoch sei die Hilfsorganisation zuversichtlich, auch künftig den Verzicht auf EU-Fördergelder durch private Spenden ausgleichen zu können.

"Ärzte ohne Grenzen" Deutschland finanzierte 2016 nach eigenen Angaben mit 126,8 Millionen Euro Projekte in mehr als 40 Ländern. Der größte Anteil des Geldes floss demnach in die medizinische Nothilfe in afrikanische Länder wie die Demokratische Republik Kongo (15,6 Millionen Euro), Jemen (11,6 Millionen Euro) sowie den Südsudan (7,7 Millionen Euro).

Die Gesamtausgaben der deutschen Sektion lagen den Angaben zufolge bei 142,5 Millionen Euro, die Gesamteinnahmen bei 142,2 Millionen Euro. 2016 waren 227 Mitarbeiter von "Ärzte ohne Grenzen" Deutschland in Hilfsprojekten im Einsatz. Insgesamt unterstützten mehr als 580.000 Menschen aus Deutschland die Organisation mit Spenden.

Klage über "Diffamierung" von Hilfe

Erneut wies "Ärzte ohne Grenzen" Kritik an ihrer Seenotrettung im Mittelmeer zurück. "Diese Diskreditierung der lebensrettenden Hilfe im Mittelmeer ist inakzeptabel", sagte Westphal. In den vergangenen Wochen hatten unter anderem italienische Staatsanwälte, aber auch deutsche Politiker, die Arbeit von Hilfsorganisationen im Mittelmeer als illegale Fluchthilfe kritisiert.

Westphal sprach von einer "besorgniserregenden Entwicklung" und "zunehmender Kriminalisierung und Diffamierung" lebensrettender Hilfe. "Ärzte ohne Grenzen" hatte gemeinsam mit den privaten Hilfsorganisationen SOS Méditeranée und Sea-Watch in der vergangenen Woche einen offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geschrieben, in dem ein klares Bekenntnis zur Seenotrettung gefordert wurde. Westphal betonte, Seenotrettung sei eigentlich eine staatliche Aufgabe der EU-Regierungen: "Sollen wir die Menschen ertrinken lassen?", fragte der Geschäftsführer von "Ärzte ohne Grenzen" Deutschland.

Weiter fordert die Organisation von der Bundesregierung, sich nicht an Plänen zu beteiligen, wonach Flüchtlinge im Mittelmeer aufgegriffen und wieder nach Libyen zurückgebracht werden sollen. "Wir fordern, dass keinerlei Unterstützung für die libysche Küstenwache geleistet wird, solange die Sicherheit und Unversehrtheit der vor ihr aufgegriffenen Bootsflüchtlinge nicht gewährleistet ist", sagte der Geschäftsführer.

Krise im Südsudan

Der Vorstandsvorsitzende von "Ärzte ohne Grenzen" Deutschland, Volker Westerbarkey, verwies zudem auf die humanitäre Krise im Südsudan. In dem Land sind laut Vereinten Nationen etwa ein Drittel der rund zwölf Millionen Einwohner auf der Flucht vor Kämpfen und Gewalt. Rund die Hälfte der Menschen im Südsudan hätten nicht ausreichend zu essen, sagte Westerbarkey. Er forderte mehr öffentliche Aufmerksamkeit für eine der "weltweit größten humanitären Krisen".

Teaserbild