Online-Überwachung
epd-bild/Annette Zoepf
Die Bundesregierung wolle kurz vor Ende der Legislaturperiode noch die Online-Durchsuchung und die Quellen-Telekommunikationsüberwachung in der Strafprozessordnung verankern, erklärten sechs Organisationen.
09.06.2017

Darunter ist das Komitee für Grundrechte und Demokratie in Köln, die Internationale Liga für Menschenrechte und die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen. Beides seien schwerste Grundrechtseingriffe.

Bei einer Online-Durchsuchung durchsuchen Ermittlungsbehörden mit Hilfe von Trojanern den kompletten Inhalt von Computern oder Smartphones. Bei der Quellen-Telekommunikationsüberwachung installieren Ermittler Programme, die laufende Kommunikation wie Internet-Telefonie via Skype aufzeichnen, bevor diese von dem jeweiligen Anbieter verschlüsselt wird.

"Ohne jede öffentliche Debatte"

Die Bürgerrechtler beziehen sich auf eine sogenannte Formulierungshilfe der Bundesregierung für einen Änderungsantrag zu einem Gesetzentwurf, mit dem unter anderem die Strafprozessordnung an mehreren Stellen geändert werden soll. Das Dokument, das Mitte Mai dem Rechtsausschuss des Bundestags zugegangen ist, betrifft unter anderem die Einführung der beiden Untersuchungsmethoden in die Strafprozessordnung.

Die Koalitionsfraktionen hätten die Verschärfung über einen Änderungsantrag in ein laufendes Gesetzgebungsverfahren eingebracht, erklärten die Bürgerrechtsorganisationen. "Innerhalb weniger Wochen und ohne jede öffentliche Debatte, ohne Möglichkeiten der Beteiligung der Zivilgesellschaft soll einer der intensivsten Grundrechtseingriffe, der der Polizei überhaupt gestattet ist, zum Gesetz gemacht werden."

Nach Angaben eines Sprechers des Bundesjustizministeriums sind die Online-Überwachungsmethoden im BKA-Gesetz bereits zur Abwehr von Gefahren wie Terroranschlägen erlaubt. Sollten sie in die Strafprozessordnung aufgenommen werden, könnten sie nach richterlicher Anordnung künftig auch in bestimmten Ermittlungsverfahren zum Einsatz kommen. Dem Entwurf zufolge beträfe das unter anderem Mord und Totschlag, schwere Fälle von Kindesmissbrauch und Vergewaltigung, aber auch die gewerbs- oder bandenmäßige Verleitung zum Missbrauch von Asylleistungen, das Einschleusen von Ausländern sowie schwere Fälle von Drogenhandel.

Kaum zu kontrollierende Überwachung

Die Bürgerrechtsorganisationen kritisieren, dass der Änderungsantrag die Online-Überwachung schon bei "Straftaten der mittelschweren Kriminalität" erlaube. Damit setze die Bundesregierung sich über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinweg. Die Karlsruher Richter hatten die Online-Durchsuchung 2008 nur dann für zulässig erklärt, wenn Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr "für ein überragend wichtiges Rechtsgut" vorliegen. Außerdem senke der Gesetzentwurf den Schutz der Privat- und Intimsphäre deutlich herab.

Die Bürgerrechtler warnten, dass die Online-Überwachung in der Praxis kaum zu kontrollieren sei. Sie verwiesen darauf, dass Ermittlungsbehörden bereits jetzt durch Beschlagnahmung etwa von Computern Zugriff auf gespeicherte Daten erhalten könnten. "Diese erfolgt aber offen und nicht - wie bei der Online-Durchsuchung - heimlich", hieß es.

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