Eine Bombenexplosion riss am Mittwoch einen tiefen Krater im Diplomatenviertel von Kabul. Es war einer der schwersten Anschläge in Afghanistan seit 2001. Die Täter hatten offenbar strengste Sicherheitsvorkehrungen umgehen können.
31.05.2017

Schwerer Terroranschlag in einer der sichersten Gegenden der afghanischen Hauptstadt: Im Diplomatenviertel von Kabul wurden durch eine Bombenexplosion am Mittwochmorgen mindestens 80 Menschen getötet und über 350 verletzt. Der Anschlag löste international Bestürzung aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte, der Schock sitze tief. "Wir werden den Kampf gegen die Terroristen führen, und wir werden ihn gewinnen", betonte sie.

Unter den Toten ist ein afghanischer Wachmann der deutschen Botschaft. Zwei Botschafts-Mitarbeiterinnen wurden verletzt, eine deutsche Gesandte leicht und eine Afghanin schwerer. Die Bundesregierung setzte eine für Mittwoch geplante Sammelabschiebung aus, hält aber an den Rückführungen fest.

Taliban bestreiten Beteiligung

Der Sprengsatz, der im dichten Morgenverkehr gegen 8.30 Uhr nahe der deutschen Botschaft detonierte, war offenbar in einem Tanklaster versteckt. Autos brannten aus, Gebäude wurden beschädigt und Fenster durch die Luft geschleudert. Zu den Todesopfern gehören auch ein Mitarbeiter des britischen Nachrichtensenders BBC und ein Angestellter des afghanischen TV-Senders Tolo News.

Zunächst war unklar, wer hinter dem Attentat kurz nach Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan steckt. Die radikal-islamischen Taliban bestritten eine Beteiligung. Spekulationen rankten sich um die Terrormiliz "Islamischer Staat", die in jüngster Zeit auch Anschläge in Afghanistan verübt hatte, vor allem gegen die schiitische Minderheit. In Afghanistan ist es nicht ungewöhnlich, dass sich die Aufständischen nicht zu Anschlägen bekennen, bei denen vor allem Zivilisten ums Leben kamen.

Es war einer der schwersten Terroranschläge in Kabul seit dem Sturz der Taliban 2001. Die Explosion war so heftig, dass Einwohner zunächst an ein Erdbeben glaubten. Die Gebäude zahlreicher Botschaften wurden zum Teil schwer beschädigt. Die Autobombe hinterließ einen vier Meter tiefen Krater am Sanbak-Platz. Das gesamte Viertel ist hoch gesichert.

"Abscheulicher Akt des Terrorismus"

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) verurteilten den Terroranschlag scharf und sicherten Afghanistan weitere Unterstützung zu. In einer Kondolenz an den afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani schreibt Steinmeier von einem "abscheulichen Akt des Terrorismus". Er unterstrich: "Bei unseren Bemühungen gegen den Terror werden wir auch in Zukunft zusammenstehen."

Auch Gabriel äußerte sich bestürzt. Der Anschlag habe Zivilisten getroffen und "diejenigen, die in Afghanistan sind, um mit den Menschen dort an einer besseren Zukunft für das Land zu arbeiten." Dass diese Menschen zur Zielscheibe würden, sei besonders verachtenswert. Deutschland hat noch um die 1.000 Soldaten in Afghanistan stationiert. Der Krieg gegen die Taliban währt seit fast 16 Jahren.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums wird es in den nächsten Tagen keine Sammelabschiebung nach Afghanistan geben. Grund sei, dass die Mitarbeiter derzeit nicht an der Betreuung der Rückkehrer mitwirken könnten, sagte der Sprecher Johannes Dimroth in Berlin. Minister Thomas de Maizière (CDU) sagte, dass die Abschiebung "schnellstmöglich nachgeholt werden" solle.

Abschiebestopp gefordert

Unterdesssen wurde erneut ein Abschiebestopp nach Afghanistan gefordert. Der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft "Pro Asyl", Günter Burkhardt, forderte in der "Heilbronner Stimme" (Donnerstag) eine neue Bewertung der Sicherheitslage in dem Land.

Bei der Abholung eines Flüchtlings in Nürnberg kam es zu erheblichen Tumulten. Ein 20-jähriger afghanischer Berufsschüler sollte ins sogenannte Abschiebegewahrsam genommen werden. Mitschüler solidarisierten sich mit dem jungen Mann und blockierten zeitweise die Fahrbahn, wie das Polizeipräsidium Mittelfranken mitteilte.

In Afghanistan nehmen Angriffe durch Rebellengruppen nach Angaben des Experten Thomas Ruttig schon seit einiger Zeit zu. "Wir haben es mit einem sehr hohen Gewaltniveau zu tun", sagte der Ko-Direktor der unabhängigen Recherche-Organisation "Afghanistan Analysts Network" dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bereits in den vergangenen Monaten sei die Situation weiter eskaliert, da die Taliban ihre sogenannte Frühjahrsoffensive begonnen hätten: "Sie haben oftmals in mehreren Provinzen gleichzeitig angegriffen."