Archiv-Bild der Medaille des Karlspreises.
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Bundespräsident Steinmeier würdigt den Populismus-Kritiker und Brexit-Gegner Timothy Garton Ash in seiner Laudatio bei der Verleihung des Internationalen Karlspreises als leidenschaftlichen Verfechter von Freiheit, Aufklärung und Demokratie.
25.05.2017

Für seine Verdienste um die europäische Einigung hat der britische Historiker Timothy Garton Ash am Donnerstag in Aachen den Internationalen Karlspreis erhalten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte den Populismus-Kritiker und Brexit-Gegner in seiner Laudatio als leidenschaftlichen Verfechter von Freiheit, Aufklärung und Demokratie. Garton Ash habe als Chronist wie kein anderer Europas Wachsen und Werden in den vergangenen vier Jahrzehnten erlebt, erforscht und beschrieben, auch die Widersprüche. Dabei habe er gezeigt, dass die Idee von Europa weiter lebendig sei und der Weg der europäischen Einigung offen stehe.

Steinmeier hält Plädoyer für Europa

Steinmeier forderte die europäischen Staaten auf, die aktuelle Krise zu überwinden und das Erreichte nicht zu verspielen. Zwar werde die Realität der EU von Institutionen, Prozessen und der mühsamen Suche nach Kompromissen geprägt, sagte der Bundespräsident vor zahlreichen Ehrengästen im Krönungssaal des Aachener Rathauses. "Was uns aber nicht passieren darf, ist, dass darüber die große Idee hinter der Krise verschwindet." Es dürfe nicht sein, "dass die Krise uns so sehr in die Augen blendet, dass die enorm lange Wegstrecke in der Ferne verblasst, die wir zurückgelegt haben, seit Europa nichts als eine verwegene Idee auf den Ruinen des Krieges war".

Es sei das Markenzeichen des Historikers und Publizisten Garton Ash, "Mut zu schöpfen aus der Geschichte und zugleich mit schonungslos klarem Blick auf die Gegenwart zu schauen", sagte Steinmeier. "Das ist eben nicht nur historische Analyse, sondern auch ein Appell an Europas Regierungen: Schaut auf das Kostbare, was Europa erreicht hat - verspielt es nicht, überwindet die Krise!" Garton Ash stehe "für all das Beste an Großbritannien, was wir in der EU vermissen werden, was zu Europa aber immer gehören wird", nämlich Liberalität, Demokratie und Aufklärung. Dieses Erbe sei für Europas Selbstverständnis unverzichtbar.

Steinmeier würdigte in seiner Ansprache die pro-europäischen Demonstrationen in zahlreichen Städten und forderte dazu auf, sich niemals und nirgendwo daran zu gewöhnen, dass die Freiheit und die Idee des gemeinsamen Europa eingeschränkt werden. Die Herrschaft von Recht über Willkür und von Freiheit über totalitäre Ideologie sei eine weltpolitische Aufgabe, die heute nur gemeinsam bewältigt werden könne, "die Nation allein kann es nicht mehr".

Engagement für offene Gesellschaft

In der Preisbegründung werden Garton Ashs Eintreten gegen Populismus und sein Engagement für eine offene und freie Gesellschaft hervorgehoben. Der 61-Jährige werbe zudem trotz des bevorstehenden Brexits für eine enge Bindung zwischen Großbritannien und der EU. Der Professor lehrt seit 1990 europäische Gegenwartsgeschichte am St. Antony's College der Universität Oxford. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit schreibt er regelmäßig Kolumnen unter anderem in der renommierten britischen Zeitung "Guardian" und engagiert sich in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

Der undotierte Karlspreis gilt als wichtigste Auszeichnung für Verdienste um die europäische Einigung. Er wird traditionell an Christi Himmelfahrt überreicht.