Eine Frau und ein Mann am Arbeitsplatz
epd-bild/Jens Schulze
Seit Mitte der 90er Jahre hat sich die Zahl befristeter Arbeitsverträge mehr als verdoppelt. Besonders viele Frauen haben nur eine Stelle auf Zeit.
21.04.2017

Binnen 20 Jahren hat sich die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse in Deutschland mehr als verdoppelt. Während 1996 etwa 1,3 Millionen Stellen befristet waren, stieg die Zahl bis 2015 auf rund 2,8 Millionen, wie aus einer am Freitag veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervorgeht. Während 7,6 Prozent der weiblichen Beschäftigten einen Arbeitsvertrag auf Zeit haben, sind es bei den Männern 6,5 Prozent. Fast jeder dritte befristet Beschäftigte arbeitet laut Bundesregierung für einen Niedriglohn.

Befristungen trifft Junge

Über die Antwort der Bundesregierung hatte zuerst die in Düsseldorf erscheinende "Rheinische Post" (Freitag) berichtet. Den Angaben zufolge sind junge Leute überproportional von Befristungen betroffen: So hat jeder fünfte Berufstätige zwischen 15 und 24 Jahren einen befristeten Job. Bei den 25- bis 34-Jährigen sind es 13,1 Prozent. Ausländer haben mit 13 Prozent etwa doppelt so häufig eine befristete Stelle wie Deutsche.

Der Anteil befristet Beschäftigter, die für einen Niedriglohn von 10,36 Euro pro Stunde oder weniger arbeiten, ist mit 30,8 Prozent höher als im Durchschnitt aller abhängig Beschäftigten (20,6 Prozent) und fast dreimal so hoch wie der Anteil der Beschäftigten mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag (10,7 Prozent). Der Wirtschaftszweig "Erziehung und Unterricht" ist mit einem Anteil von 12,7 Prozent Spitzenreiter bei Befristungen, gefolgt vom Gastgewerbe (10,2 Prozent) und dem Gesundheits- und Sozialwesen (8,8 Prozent).

Der Anteil der befristeten Neueinstellungen an allen Neueinstellungen schwankt regional stark: In Bayern lag er 2015 bei 32 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern bei 55 Prozent. Dabei sind flächendeckend Frauen stärker betroffen als Männer.

Schlecht für Zukunftsplanung

Bei der Entwicklung befristeter Beschäftigung von 1996 bis 2015 gibt es deutliche Unterschiede zwischen den alten und neuen Bundesländern. Im Osten (inklusive Berlin) war der Anteil befristeter Beschäftigung bereits 1996 mit 6,6 Prozent relativ hoch, er ist aber dann in einigen Bundesländern gesunken. Im Westen war er 1996 mit 3,2 Prozent deutlich niedriger, ist dafür aber bis 2015 angewachsen. So hat sich die Zahl der zeitlich befristeten Arbeitsverträge etwa in Nordrhein-Westfalen in 20 Jahren fast verdreifacht.

Jutta Krellmann, die Sprecherin der Linksfraktion für Arbeit und Mitbestimmung, kritisierte die Situation. "Befristete Arbeitsverträge wirken wie die Anti-Baby-Pille", sagte sie. Die Zukunftsplanung bedürfe der Sicherheit eines unbefristeten Jobs. Unbefristete Arbeitsverhältnisse müssten wieder die Regel werden. Sachgrundlose Befristungen, die fast die Hälfte aller Zeitverträge ausmachen, sollten ganz abgeschafft werden, fordert die Linke.