27.03.2017

Der schwarze Christus schwebt frei auf gelbem Bilduntergrund - ohne Kreuz. Auf dem Motiv darunter mahnt ein übervolles Flüchtlingsboot im blauen Meer. Das Pietà-Motiv daneben ist umgedreht: Ein Mann trägt eine leblose Frauenfigur - herkömmlicherweise trägt Maria den toten Jesus. Die südafrikanische Künstlerin Marlene Dumas dürfte mit ihrem ersten Altarbild für Diskussion sorgen. Das Werk, ein Lebensbaum auf hellem Grund mit sechs großen, farbigen runden und ovalen Medaillons quasi als Blätter, wurde am Sonntag in der Dresdner Annenkirche offiziell an die Gemeinde übergeben.

Vier Jahre Arbeit

"Wir sind nicht das Zentrum des Universums, aber ein Teil davon", sagte Dumas im Festgottesdienst. "Wir haben einen wichtigen Teil der Verantwortung wie die Blätter eines Baumes", betonte sie. Zugleich dankte sie der Gemeinde für die Geduld und Partnerschaft. Dumas hatte etwa vier Jahre lang an dem riesigen Altarbild gearbeitet. Während des Entstehungsprozesses blieb sie im Gespräch mit der Gemeinde, die sich unter anderem Motive der Hoffnung und der Gegenwart gewünscht hatte.

In seiner Predigt betonte Sachsens evangelischer Landesbischof Carsten Rentzing, Kunst sei mehr sei als die Darstellung der Gegenwart. Er gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass das Bild "seine Bedeutung über die Zeiten nicht verliert" und dass die Betrachter nachdenken über Gott, die Welt und sich selbst. Der Lebensbaum stehe auch dafür, dass "Leben aus dem Tod Leben entsteht und Liebe aus dem Hass", sagte Rentzing.

Dumas schuf den Lebensbaum in einem mehrjährigen Prozess unter Mitarbeit ihres Lebenspartners Jan Andriesse und ihres Künstlerfreundes Bert Boogaard. Für das etwa acht mal 3,5 Meter große Altarbild hat sich die 63-jährige international anerkannte Künstlerin intensiv mit der Geschichte der Annenkirche, der Geschichte Dresdens und vor allem mit dem Symbol des Kreuzes beschäftigt. Ihr Kreuz auf einem der Medaillons ist weiß auf blauem Grund und wie ein Fenster gestaltet.

Kosten betrugen 190.000 Euro

Das moderne Altarbild selbst ist ein Geschenk der Künstlerin an die Annenkirchgemeinde. Für Arbeiten im Kirchraum sind Kosten von rund 190.000 Euro angefallen, die vom Bund, von Stiftungen und der sächsischen Landeskirche gedeckt werden. 70.000 Euro übernimmt die Gemeinde als Eigenanteil.

Zu dem zeitgenössischen Kunstwerk hatte es zum Teil heftige Kritik gegeben. Nach Ansicht des Pfarrers der Annenkirche, Christfried Weirauch, muss ein Altarbild nicht immer "leichte Kost sein". Aber natürlich könne über Kirchenkunst gestritten werden. Kritische Stimmen gebe es aber nicht viele in der Gemeinde, es überwiege die Freude über das neue Werk, sagte Weirauch.

Die Direktorin des Albertinums der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Hilke Wagner, würdigte den Malstil der Künstlerin als "expressiv-gestisch". Ihre Werke seien eine "außergewöhnliche Konstruktion von Intensität und Intimität" und beschäftigten sich mit existenziellen Themen.

Dumas lebt und arbeitet in Amsterdam. Sie stellte bereits im Museum MoMA in New York und im Münchner Haus der Kunst aus. Der im Jugendstil gehaltene Innenraum der Dresdner Annenkirche war für rund 1,6 Millionen Euro saniert worden. Um einen Gegenwartskünstler für das neue Altarbild zu finden, wurde eigens eine Kommission eingesetzt. Das neuen Werk hängt zwischen zwei weiß-goldenen Säulen, die von weißen Engeln gekrönt werden.

Die Annenkirche wurde 1578 als erster Sakralbau in Dresden nach Einführung der Reformation als Predigtstätte geweiht. Während der Bombardements auf die Elbestadt im Februar 1945 überlebten im Innenraum der Kirche etwa 1.000 Menschen. In der Gegenwart dient die Kirche auch als Konzertsaal für renommierte Ensembles.