Jesaja und die Pinguine
Uwe Birnstein
Jesaja und die Pinguine
Eine Pastorin predigt gegen die Kälte an – in einem Gottesdienstraum, als hätte Disney ihn für die Waldtiere gebaut.
Maren Kolf
07.11.2022

Waldkirche Planegg, Sonntag um 10.10 Uhr. Zunächst ist die Kirche kaum zu sehen. Von allen Seiten des kleinen Wäldchens im oberbayerischen Ort am Südwestrand Münchens führen Wege zu dem weißen Kirchenbau. Hätte Disney für einen Waldtierefilm ­eine Kirche konstruiert, sähe sie vermutlich aus wie diese: acht­eckig inmitten hoher Bäume. Drinnen ragen Holzpfeiler wie Baumstämme in die Höhe, die Bänke stehen im Rund, eingefügt eine geschnitzte Kanzel. Auf einer Bildgalerie ist das Leben Jesu einfach und farbenfroh dargestellt.

Wie Königspinguine

An diesem sonnigen Sonntag kommen die Menschen von allen Seiten herein – viele Alte, viele Konfirmandinnen und Kon­firmanden. Wie aus dem ­Di­ckicht tritt auch die ­Pastorin ein. Als säße sie oben in den Baumwipfeln, beginnt die Organistin zu spielen. "Morgenglanz der Ewigkeit", singt die Gemeinde laut mit und bittet darum, dass Gottes "Liebe Glut unsre kalten Werke töte".

Die Pastorin führt dann tatsächlich in die Kälte – in die Antarktis, zu den Königspinguinen. Die trotzen der Kälte dadurch, dass sie eng zusammenstehen. Innen, wo es am wärmsten ist, stehen Kinder und Kranke. Damit die Außenstehenden nicht auskühlen, wechseln sie sich ab. Mit dem schwarzen Talar, dem ­weißen Beffchen und der weißen Maske am Arm erinnert die Pastorin ungewollt selbst an einen sympa­thischen Pinguin.

Elegant knüpft sie Verbindungen zum Predigttext aus dem Buch Jesaja. Auch zu dessen Zeiten gab es soziale ­Kälte, auch damals herrschte Angst vor Krieg. Das Verhalten der Pinguine könne hier ein Beispiel geben: Sie halten ­zusammen, wärmen sich und achten auf die Bedürftigen.

Das folgende beschwingte Orgelstück klingt wie die Filmmusik zu einer Doku, in der die gefiederten Antarktisbewohner übers Eis watscheln. Zum Abendmahl tritt die Gemeinde reihum in einen Innenkreis und lässt sich von Wein und Brot ­nähren und wärmen.

In den Fürbitten betet die Pas­torin für die "Hoffnungsdurstigen und Umarmungsbedürftigen". Aus den Abkündigungen erfährt man, dass kürzlich eine Taufe stattgefunden hat und zwei Menschen bestattet wurden. Und dass die Kirche in diesem Winter wegen der hohen Energiepreise zwei Grad kälter sein werde als sonst. Man solle sich warm an­ziehen oder Decken mitbringen. Vor der Kirche steht im Herbstlaub ein Tisch mit heißem Kaffee und Apfelkuchen. Diese Gemeinde schlägt der Kälte in vielerlei Weise ein Schnippchen.

Kontakt

Evang.-Luth. Kirchengemeinde Planegg-Stockdorf
Karlstr. 3
82152 Planegg

Tel.: 089 / 859 82 50

Mail: pfarramt.planegg-waldkirche@elkb.de

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