Dreieinigkeitskirche in Berlin-Steglitz
Dreieinigkeitskirche in Berlin-Steglitz
Privat
Beten für Afghanistan
Im Gottesdienst in der Dreieinigkeitskirche in Berlin: Hier bangen viele Gemeindeglieder um ihre Familien, die jetzt unter den Taliban leben.
Tim Wegner
05.10.2021

Dreieinigkeitskirche, Berlin-Steglitz, Sonntag, 10 Uhr: Pfarrer Gottfried Martens hat sich beim Fußball mit Konfirmanden die Achillessehne gerissen und muss auf einem Drehstuhl vor dem Altar Platz nehmen. Er hat was von einem gutmütigen Patriarchen: kräftige Stimme, klare Ges­ten. Die Atmosphäre wirkt familiär, vertraut. Viele hier sind aus Afghanistan und dem Iran geflüchtet, er hat sie getauft. Für sie ist die Gemeinde Familien­ersatz. Martens und die Ehrenamtlichen ­helfen bei der Jobsuche und mit den Be­hörden, trösten sie und bangen mit ihnen.

Nach Begrüßung und Beichtgebet treten alle einzeln nach vorn. "Dir sind alle Sünden vergeben", sagt der Pfarrer zu jedem und ­jeder. Gestern Abend, da hielt Martens den Gottesdienst auf Farsi, ein Männerchor sang Farsi zu poppigen Klängen und Rumba­rhythmen. Heute, im deutschen Gottesdienst, singen die grauhaarigen Deutschen "Lobe den Herren". Die schwarzhaarigen jungen Männer und Frauen summen mit.

Predigttext ist Lukas 17, Jesus heilt zehn Aussätzige. Nur ein Geheilter bedankt sich. "Wo sind aber die neun?", fragt Jesus. "Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben?" Pfarrer Martens erzählt von einem Mann, den die Gemeinde vor der Abschiebung bewahrt hat. Der Mann habe ihm geschrieben, dass er in eine andere Gemeinde wechsle. "Kein Dank, nichts", sagt Martens. "Tröstlich, dass es ­Jesus damals in seiner Arbeit auch nicht anders gegangen ist." Hm, ist das jetzt kleinlich? Umso mehr freue er sich, dass so viele der Gemeinde treu sind. Das Wichtigste im Leben sei, "dass wir bei Jesus bleiben und ihm danken für das, was gut ist. Lassen wir den Dank nicht im Alltag ersticken!"

Tim Wegner

Claudia Keller

Claudia Keller ist Chefredakteurin von chrismon. Davor war sie viele Jahre Redakteurin beim "Tagesspiegel" in Berlin.

Beim Abendmahl knien die Frauen und Männer zu mehreren vor den Altarstufen, Martens’ Helfer legt die Oblate auf die Zunge. Die Gemeinde gehört zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche, hier geht es traditioneller zu als in ande­ren evangelischen Gemeinden. Nur für die Kirchgängerin ist das ungewohnt. Gerade die iranischen und afghanischen Geschwister seien empfänglich für traditionelle Formen und ihre Bedeutung, hat Pfarrer Martens im Pfarrbrief erläutert.

Der Herr halte seine schützende Hand "über alle Menschen in Afghanistan, die ­unter der Herrschaft der Taliban leben. ­Besonders über die Familien unserer Gemeindeglieder", spricht der Pfarrer in der Fürbitte. Bewegend.

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