Tim Wegner
18.10.2011

Bewertung

Liturgie
5
Predigt
3
Musik
4
Atmosphäre
5

In die Kirche gehen oder unter der Bettdecke bleiben? Heute ist der erste richtig fiese Herbsttag, nach wochenlanger Sonne. Draußen stürmt’s, drinnen brennt am Frühstückstisch eine Kerze. Vater hatte am 9. Oktober Geburtstag, aber er ist seit acht Jahren tot. Eigentlich sollte man heute zur alten Mutter fahren, aber die Mutter wohnt am Bodensee, die Tochter in Köln, zu weit. In die Kirche? Kann gutgehen in der Stimmung, kann schiefgehen.

Es fängt gut an. Auf dem Weg in den fremden Stadtteil fragt die Kirchgängerin einen anderen Radfahrer, wo die Erlöserkirche ist, und der sagt: „Hier links, dann geradeaus, wir haben es nicht mehr weit.“ Er hat „wir“ gesagt, obwohl wir Evangelischen im katholischen Köln eine Minderheit sind. Wie schön. Zusammen radeln wir zu einer roten Backsteinkirche, es wuselt vor Menschen, ein Bücherflohmarkt im Foyer, drinnen fünf Tauffamilien und die Gemeinde. Babys und Buchkäufer machen ganz schön Krach, zum Glück hält Pfarrer Michael Miehe dennoch eine ernsthafte Predigt. „Seine Liebe ist jeden Morgen neu“, ein Zitat aus den Klageliedern Jeremias, erinnert den Pfarrer an die Marktschreier, die ihre Äpfel anpreisen. „Gottes Liebe wird nie vergammelt oder abgestanden sein, aber ihr müsst nach ihr greifen“, sagt der Pfarrer und mimt kurz den Markthändler, „Liebe hat kein Verfallsdatum.“ Hilfe, er wird doch keine Politpredigt halten über das Wegwerfen von Lebensmitteln? Nein, er findet elegant die Kurve: „Bei der Taufe“, sagt er, „da ruft einer nur zu uns.“

Was nun folgt, ist hohe liturgische Kunst: Fünf Familien, fünf Taufen, fünf Sprüche – und zu jedem sagt der Pfarrer einen auslegenden Satz. Erklärt aber auch der Gemeinde fast beiläufig, was es mit der Taufkerze auf sich hat. Mit dem Taufkleid. Mit dem Wasser. Bei jedem Täufling lernen wir etwas. Nur schade, dass die Paten auch noch – ohne Mikro – selbst geschriebene Texte lesen. Die verstehen wir leider akustisch nicht. Dafür sprechen wir gemeinsam das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser und singen das wunderbare Lied von Dietrich Bonhoeffer „Von guten Mächten treu und still umgeben“.

Vergnügt radelt die Kirchgängerin nach Hause, ruft die alte Mutter an. Die war auch in der Kirche, 600 Kilometer entfernt. „War ein schöner Bibelspruch mit der Liebe, auf die man jeden Morgen eine neue Chance hat“, sagt sie. Und dass das Bonhoeffer-Zitat damals auf Papas Todesanzeige stand. Hatte die Tochter schon vergessen. Es war eine gute Idee, heute in die Kirche zu gehen.

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Kontaktinformationen der Gemeinde

Evangelische Kirchengemeinde Rodenkirchen
Pfarrer Michael Miehe
Sürther Str. 34
50996 Köln-Rodenkirchen
Telefon:  02 21 / 39 15 73
E-Mail: pfarrer@erloeserkirche-rodenkirchen.de
Internet: www.erloeserkirche-rodenkirchen.de

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