Lena Uphoff
15.11.2010

"Und, Papa, wie war ich?", fragte mich mein Sohn, immer noch ein wenig außer Atem, verschwitzt und mit gerötetem Gesicht, nachdem er mit seiner Mannschaft zum ersten Mal ein Hallen-Fußball- Turnier gewonnen hatte. Gut, sagte ich, sehr gut. Obwohl: Das Gegentor im zweiten Spiel ­ das ging auch ein wenig auf deine Kappe, da musst du als Torwart rauskommen und den Winkel verkürzen. Und die Abwürfe -­ da musst du noch üben. Nie direkt nach vorne!

Bitte schön, die Gans! Drei Stunden hatte ich das Tier in der Bratröhre betreut, hatte es in regelmäßigen Abständen begossen. Die Füllung, davon war ich überzeugt, war mir bestens gelungen. Ich schnitt den Vogel an und arrangierte die Portionen auf den Tellern der Familie. "Toll!", schmatzte mein Sohn. Und das durfte er natürlich auch mit vollem Mund sagen. "Spitze", verstärkte meine Frau, "meinst du nicht auch, Mutter?" Meine liebe Mama kaute bedächtig, wiegte den Kopf und kommentierte: "Ja. Nicht schlecht. Aber das wichtigste Gewürz für die Gänsefüllung kennst du nicht: Beifuß!"

Wer seine Mitmenschen motivieren will, muss loben.

Die Psycho-Ratgeber sind voll davon: Wer seine Mitmenschen motivieren will, muss loben. Und der Dichter Robert Gernhardt brachte es auf den Punkt. Der Mensch sei "unbegrenzt belobbar". Und am besten wirke auf sein Gemüt eine "tägliche Dosis Frischlob". Theoretisch ist uns kritischen Geistern das ja auch längst klar. Aber eine innere Stimme zwingt uns in der Praxis häufig, größte Anerkennung doch gleich wieder zu relativieren. Besonders Eltern leiden unter diesem Zwang.

Mein Freund Uli vermutet, dass Väter und Mütter aus erzieherischen Gründen so große Schwierigkeiten hätten, die Leistungen ihres Nachwuchses anzuerkennen. Als ich neulich mit ihm über dieses Thema sprach, fiel ihm dazu sofort seine Gesellenprüfung als Schreiner ein: "Ich hatte einen Tisch geschreinert, mit Intarsien auf der Platte. Eine glatte Eins. Mein Meister war begeistert. Als ich meinem Vater das gute Stück präsentierte, meinte er: "Wirklich hervorragend. Aber du kannst das noch besser, das weiß ich. Schau mal hier, in der Ecke. Das hast du spitz zulaufen lassen. Rund wäre noch ein wenig schöner gewesen." Uli konnte seinen Zorn nicht unterdrücken. "Warum", habe er seinen Vater angefaucht, "bist du nie mit mir zufrieden?"

"Warum bist du nie mit mir zufrieden?"

"Bin ich doch", verteidigte sich der Alte. "Ich möchte nur nicht, dass du überheblich wirst und dir zu viel auf dein Können einbildest." Nett. Die reine Sorge also, der Junge könne größenwahnsinnig werden. "Ich weiß nicht, ob das richtig ist", sagte Uli. "Ich glaube, wer die Leistungen seiner Mitmenschen, inklusive der eigenen Kinder, nicht einmal rückhaltlos loben kann, erreicht, was er verhindern will: Arroganz aus Selbstschutz ­ aus purem Trotz." Wenn ihr mich nicht lobt, muss ich es eben selbst tun.

Lob hingegen, folgerte Uli, fördere die Fähigkeit zur Selbstkritik. Das wisse er aus eigener Erfahrung: "Als ich neulich bei Julian in der Altbauwohnung die Küche eingebaut habe, waren er und seine Frau ganz aus dem Häuschen. Sie klopften mir auf die Schultern und ließen sich davon auch nicht abbringen, als ich sie auf die Macke an der Spüle aufmerksam machte. Und dass die Platte über dem Kühlschrank ein ganz klein wenig aus der Waage sei, wollten sie auch nicht gelten lassen. Ich sei eben ein Profi und deshalb Perfektionist, wischten sie meine Einwände weg."

Während wir so dasaßen und redeten, stellte Ulis Frau Brigitte uns einen frischen Apfelkuchen hin. "Greift zu, lasst es euch schmecken!" ­ Da war sie, die Chance! Mhmm, lobte ich nach dem ersten Bissen, da hast du dich wieder mal selbst übertroffen! "Danke. Freut mich!", strahlte Brigitte. "Ich werd es unserem Bäcker gerne ausrichten, dass dir sein Kuchen geschmeckt hat."

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