chrismon-Chef­redakteur Arnd Brummer
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Sven Paustian
Wenn Atheisten "Gott sei Dank" sagen
Lena Uphoff
25.02.2015

Es freut mich, wenn meine Bekannten, Freunde und Verwandten sich begeistert über Geschenke auslassen. Wenn Simone beispielsweise beim Auspacken an ihrem Geburtstag jubelt: „Einfach göttlich, dieses Parfüm! Woher wusstet ihr denn, wie sehr ich es liebe? Ich werde euch ewig dankbar sein! Wo habt ihr es denn ausgegraben? Ich dachte, das gibt es nur in USA.“

Simone nennt sich selbst „vollständig areligiös“. Das ist die intellektuellere Variante von „atheistisch“ oder „gottlos“. Es tröstet mich sehr, wenn ich sie so jubeln höre. Ich habe auf die göttlich-ewigliche Danksagung mit einem alten Sprachscherz reagiert: Ein Mensch wird gefragt, ob er am Sonntag mit in die Kirche kommt. Er antwortet: „Nee! Ich bin Atheist! Gott sei Dank!“ Simone hat tief und laut eingeatmet. „Typisch Arnd“, zischte sie dann mit einem kleinen Grinsen. „Du machst aus jeder Redensart einen theologischen Ernstfall! Aber wir halten das aus – Gott sei Dank!“

Nein, unserer Freundschaft hat der kleine Diskurs einmal mehr nicht geschadet. Simone und Jochen, ihr Lebensgefährte, sind es gewöhnt, dass die „katholi­sche Paula“ und ich beim Abendessen und Weintrinken hin und wieder die „Kirchenkurve“ nehmen, wie es Jochen nennt.

Dankbar sein – wem auch immer

Neulich haben wir über den frühen und plötzlichen Tod von Susanne geredet, die zwei Straßen weiter wohnte. Mit nicht einmal 50 Jahren ist sie einem Herzleiden erlegen. „Unbegreiflich“, murmelte Simone, „warum Susanne? Warum so früh? Unfassbar!“ Auch Susanne wollte nichts mit der „Gott und Sohn GmbH“ zu tun haben, wie sie die Kirchen gerne nannte, wobei sie ihre Lesart des Kürzels stets gleich erläuterte: „Gemeinschaft mit beschränktem Horizont.“ Als Jochen an diesen Standardspruch ­unserer Bekannten erinnerte, sagte Paula: „Ja, ihr Tod ist unbegreiflich. Das heißt: Auch ihr gehört zu denen mit dem beschränkten Horizont. In alten Zeiten war ‚unbegreiflich‘ die Chiffre für: Wir verstehen es nicht, es ist Gottes Wille!“ Und ich fügte hinzu: „Die ratlose Frage nach dem Warum von schönen wie schrecklichen Dingen ist die Wurzel dessen, was man Religion nennt. Hinter dem Horizont muss es jemanden geben, der mehr weiß, als wir  wissen können.“ Zu viel für Jochen: „Aber das löst unser Problem nicht. Susanne ist tot. Und wir sind fassungslos, ja, und auch zornig.“ Immerhin haben wir uns über die Differenz hinweg rasch darauf einigen können, dass wir – wem auch immer – dankbar sind, dass wir Susanne, ihre liebe Art und ihren ­Humor er­leben durften. Und: dass wir sie in Erinnerung behalten werden. Ewig? Ewig!

###autor### Die Trauerfeier für Susanne endete auf ihren ausdrücklichen Wunsch in einem „fröhlichen und keinem Trauer-Kaffee“ mit Musik der Edwin-Hawkins-Singers, allem voran „Oh Happy Day“. Dass dieser Song ein Gospel ist und der Chor, der damit vor 45 Jahren die Hitparaden stürmte, ein Kirchenchor – „danke, lieber Arnd, dass du uns darauf aufmerksam machst! Wir wussten es, aber es war uns nicht so wichtig. Nun gut.“ Immerhin ließ Jochens Stimmung es zu, mit unseren erhobenen Gläsern auf Susanne anzustoßen.

Jochen hat übrigens im März Geburtstag. Und er hat uns alle eingeladen. Paula und ihren Michael, mich und meine Frau. Was schenken wir ihm? Michael hat ein nettes und witziges Büchlein über Astrologie vorgeschlagen. „Es enthält den schönen Satz: ‚Ich glaub’ nicht an das Zeug, wir Fische sind skeptisch.‘ Und das ist ja sein Sternzeichen.“ Paula weiß nicht so recht. „Der fühlt sich ja langsam von uns verfolgt mit diesen Anspielungen auf Glauben.“ Aber vielleicht erwartet er von uns gerade so etwas?

Dann, schlug ich vor, sollten wir ihm ganz gezielt etwas ­schenken, das von anderen Dingen handelt, zum Beispiel eine besondere Flasche Wein oder etwas für den nächsten Urlaub. Unglaublich, was uns in der nächsten halben Stunde alles einfiel! Von Konzertkarten bis zu einer elektrischen Spaßdrohne. Weil wir uns nicht sicher waren, rief Paula die areligiöse Simone an und fragte sie um Rat. „Wahnsinn!“, rief sie so laut, dass wir alle am Tisch es aus dem Handy dröhnen hörten. „Oh Gott, ihr kennt ihn wirklich! Er wird sich riesig freuen. Unfassbar!“

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